2024/B/7 Schnelle, notwendige Investitionen für die Zukunft von Land und Bund

Status:
Nicht Abgestimmt

Damit die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen bewältigt werden können und auch die Konjunktur stabilisiert wir, ist ein groß angelegtes, verlässliches öffentliches Modernisierungsprogramm unausweichlich. Ohne massive öffentliche Investitionen lässt sich der enorme Investitionsstau in Deutschland nicht auflösen. Für die Transformation der Wirtschaft, gute Bildung und eine moderne digitale Infrastruktur bräuchte es in den kommenden Jahren zusätzlich hunderte Milliarden Euro an Investitionen. Beim sozialen Wohnungsbau müssten Bund und Länder die öffentlichen Fördermittel eigentlich verdoppeln, damit zumindest die notwendigen 100.000 Sozialwohnungen jährlich entstehen können. Öffentliche und geschlechtergerecht ausgestaltete Investitionen stärken so den sozialen Zusammenhalt, fördern gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Deutschland und tragen zu Resilienz und Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und der öffentlichen Daseinsvorsorge bei – und sichern damit Wertschöpfung und die guten Arbeitsplätze von morgen.

Die Corona-Pandemie und die Energiepreiskrise haben den Strukturwandel nicht gebremst, sondern teilweise sogar beschleunigt und neue Handlungsfelder offengelegt. Deshalb müssen Investitionen dringend ausgeweitet werden: in den Breitbandausbau, eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur, eine beschleunigte und bezahlbare Energiewende, den Klima- und Umweltschutz, Smarte Städte, in Forschung und Entwicklung. Viele dieser Investitionen sind nicht nur die Voraussetzungen, damit die Klimaziele erreicht werden können, sondern tragen maßgeblich dazu bei, weniger anfällig für Auswirkungen von geopolitischen Entwicklungen zu sein.

Verpasst Deutschland den Anschluss in der Transformation und im Klimaschutz, wäre das eine weitaus größere Bürde für künftige Generationen als ein temporär gestiegener Verschuldungsgrad der öffentlichen Hand. Die investitionsfeindliche Schuldenbremse passt nicht zu den enormen Herausforderungen unserer Zeit und muss abgeschafft werden.

Es gibt breite gesellschaftliche Mehrheiten dafür, diese längst überfälligen Investitionen zu realisieren. Diese sind allerdings nur finanzierbar, wenn die ideologischen Schuldenregeln flexibilisiert werden. Vor allem in den Bereichen, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt entscheidend sind, wie lebenswerte Städte und Gemeinden, bezahlbarer Wohnraum, bedarfsorientierter Nahverkehr, Krankenhäuser, Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie ein hochwertiges Bildungssystem, wurde in den letzten Jahren viel zu wenig getan. Der akute Handlungsbedarf, gerade auch im Gesundheits- und Bildungswesen, wurde durch die Corona-Pandemie schonungslos offengelegt.

Eine Vielzahl von Kommunen können die steigenden Energiepreise gar nicht oder kaum noch tragen. Mögliche Folgen: Schulen und öffentliche Gebäude wie Bibliotheken oder Verwaltungen konnten nicht mehr so stark beheizt werden, energieintensive Infrastrukturen wie Schwimmbäder oder Turnhallen konnten unter Umständen nur eingeschränkt betrieben oder mussten ganz geschlossen werden.

Wir fordern, dass Bund und Länder die notwendigen Voraussetzungen treffen…

 

• damit die Handlungsfähigkeit der Gemeinden gesichert werden um dringend notwendige Investitionen auf kommunaler Ebene tätigen zu können

 

• damit Kommunen Zugriff auf bebaubare Flächen erhalten, um Investitionsprojekte zu realisieren.

 

• damit gleichzeitig mit mehr öffentlichen Investitionen eine sozial und (geschlechter-) gerechte, ökologische Transformation unserer Wirtschaft angesichts von Klimawandel, veränderter Globalisierung und Digitalisierung gelingt. Dabei sind eine aktive Industrie-, Dienstleistungs- und Strukturpolitik sowie eine bedarfsgerechte Ausweitung von Qualifizierungs- und Weiterbildungskapazitäten unverzichtbar.

 

• damit öffentliche Gelder verlässlich zur Verfügung stehen, sodass Planungssicherheit beispielsweise in der Baubranche oder in Handwerksbetrieben herrscht. Nur so kann erreicht werden, dass genügend Kapazitäten aufgebaut werden, um die Investitionen und Projekte zu realisieren. Nicht zuletzt werden so auch private Investitionen angeregt.

 

• damit öffentliche Investitionen nicht zulasten von anderen Ausgaben gehen. Investitionen in Infrastruktur, Gebäude und Anlagen funktionieren nur mit mehr, gut bezahltem und qualifiziertem öffentlichen Personal. Hier zeigt wiederum das Beispiel des Baugewerbes: Zur Verfügung stehende Gelder können nicht abgerufen werden, weil massiv Personal in den zuständigen Behörden fehlt und sich deshalb Genehmigungsverfahren teilweise über Jahre hinziehen. Auch weil die Baukonjunktur in Folge von gestiegenen Zinsen und Baukosten droht einzubrechen, ist es besonders wichtig, dass die öffentliche Hand hier schnell und verlässlich handelt.

 

• um eine umfassende Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltungsstrukturen sowie eine Vereinfachung von bürokratischen Verfahren durchzuführen, damit Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Insbesondere Doppelprüfungen gilt es zu vermeiden. Zudem braucht es ausreichend Personal und Fachwissen in den Planungsbehörden, um den Anforderungen gerecht zu werden. Entsprechende Weiterbildungsangebote und attraktive Arbeitsbedingungen sind hier der Schlüssel. Dabei ist sicherzustellen, dass Umweltprüfungen und die Beteiligung der betroffenen Bürger*innen nicht eingeschränkt werden.

Der Mangel an Erzieher*innen, Lehrer*innen, Pflegekräften und Personal im Öffentlichen Personennahverkehr sind andere Paradebeispiele, die zeigen, dass Investitionen in Gebäude, Anlagen und Infrastruktur nur sinnvoll funktionieren können, wenn auch das notwendige öffentliche Personal vorhanden ist.

 

• damit Investitionen nachhaltig gefördert und abgesichert werden. Neue Beteiligungs-programme können Spielräume für Investitionen ermöglichen. Das kann über geänderte Abschreibungsregeln für transformationsrelevante Investitionen, über PPAs, Beschaffungsquoten oder Transformations-Fondsmodelle geschehen. Das System der Risikoabsicherung für wichtige Infrastruktur-, Energie- und Wärmeprojekte muss weiterentwickelt werden.

 

Personalausgaben können und sollten über ein gerechteres Steuersystem finanziert werden, während Investitionen in Infrastruktur sinnvollerweise über Kredite finanziert werden.

Die Tilgung der Schulden, die zur Bewältigung der Krisen aufgenommenen wurden, darf deshalb nicht zu Sozialabbau führen, für Einsparungen im öffentlichen Dienst missbraucht werden oder wichtige Investitionen in die Daseinsvorsorge und die sozial-ökologische Transformation behindern.

Angesichts der gewaltigen Investitionsbedarfe ist mit einer Politik der schwarzen Null und weiterer Investitionszurückhaltung der Unternehmen die Verkehrs- und Energiewende nicht zu bewältigen. In Anbetracht riesiger Kapitalanlagen und günstiger Finanzierungsbedingungen (Investmentfonds halten Billionensummen bereit, die Aktienkurse liegen auf Rekordniveau, die Gewinne im letzten Jahrzehnt waren exorbitant, die Zinsen sind extrem niedrig und die Eigenkapitalausstattung ist hoch), müssen Staat und Politik vor allem einen berechenbaren Rahmen und entsprechende Investitionsanreize für die Industrie setzen, auch durch entsprechende öffentliche Nachfrage. (Öffentliche Verkehrsmittel, Beschaffung, kommunale Finanzen…) Steuergelder, die an Unternehmen gezahlt werden, müssen an verbindliche Standards, Vorgaben und Rückzahlungen gebunden werden. Ansonsten soll deren Einsatz an Beschäftigungssicherung, Qualifizierung, und soziale Absicherung beschränkt bleiben.

Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Befüllung des Klima- und Transformationsfonds mit in der Corona-Krise nicht genutzten Kreditermächtigungen im Nachtragshaushalt 2021 für verfassungswidrig erklärt hat, fehlen im Klima- und Transformationsfonds für die kommenden Jahre mindestens 60 Mrd. Euro. Auch der Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds ist betroffen: Hier wurden zuletzt die geplanten Gas- und Strompreisbremsen für das erste Quartal 2024 in Höhe von rund 20 Mrd. Euro einkassiert.

Die Folgen des Urteils bringen in erster Linie große Unsicherheiten für die Transformation, bezüglich der Umsetzbarkeit der geplanten klima- und transformationspolitischen Maßnahmen so zum Beispiel Achim Truger, deutscher Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“). Bleiben Stromkund:innen künftig von der EEG-Umlage verschont, wird die Bahn- und Ladesäuleninfrastruktur wie vorgesehen gefördert, bleibt es bei der Ansiedlung der Chip- und Batteriefabriken, gelten die zahlreichen Förderprogramme für Unternehmen und private Haushalte weiter? Die in Frage stehenden Maßnahmen haben ein Volumen von durchaus 0,5 bis 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Wird bei ihnen gekürzt droht angesichts der ohnehin bereits auf der Kippe stehenden Konjunktur im kommenden Jahr in zweiter Linie eine erneute Rezession. Das Urteil zeigt – unabhängig von den aktuellen Turbulenzen – die grundlegende Reformbedürftigkeit der Schuldenbremse im Grundgesetz. Wir fordern, dass die aktuelle Schuldenbremse grundlegend reformiert werden muss, denn sie lässt wie jetzt erkennbar ist, zu geringe Spielräume für öffentliche Investitionen und zur Konjunkturstabilisierung und kann daher kurz- oder langfristig schwere gesamtwirtschaftliche Schäden verursachen.

Damit zentrale Zukunftsvorhaben trotzdem finanziert werden können, ist ein Sonderfonds Infrastruktur einzurichten. vor. Dieses Sondervermögen soll ausschließlich für große öffentliche Investitionen in die Infrastruktur verwendet werden. Dazu gehören konkret zum Beispiel:

 

• der Ausbau von Netzinfrastruktur für Wasserstoff und

 

• Ladeinfrastruktur für die e-Mobilität,

 

• der Ausbau der Energienetze und Reservekraftwerke

 

• Investitionen in die Bildungsinfrastruktur

 

• Sanierung von Brückeneispiel

 

• neue Wasser- oder Schienenwege.

 

Ein solcher Investitionsbedarf ist wegen vergangener Krisen und bestehender Jahrhundertaufgaben nicht aus dem Kernhaushalt zu stemmen. Er ist aber notwendig, um die deutsche Wirtschaft und damit den Wohlstand zu sichern.

Gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatten die deutschen Gewerkschaften bereits 2019 für die traditionelle Infrastruktur ein Volumen von 460 Milliarden Euro über 10 Jahre gefordert, basierend auf den Forschungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung sowie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Auf Basis dieser Forschungen sollte nun der Bedarf aktualisiert werden.

Die USA hat es vorgemacht: Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) wurde im Sommer 2022 ein Gesetz verabschiedet, das mit einem starken wirtschafts- und industriepolitischen Ansatz, Antworten auf die Herausforderungen des Klimawandels und der sich in den USA immer weiter ausdünnenden Mittelschicht geben will.

Mit dem IRA wurde in den USA ein großes Subventionsprogramm für die Transformation auf den Weg gebracht: Mit Steuergutschriften sollen Investitionen in die Energiewende und klimaneutrale Industrieproduktion mit insgesamt 400 Mrd. Dollar über zehn Jahre subventioniert werden. Die Höhe der Subventionierung an Bedingungen gekoppelt, so erhöht die Bezahlung guter Löhne „prevailing wage“ (idR. Gewerkschaftslohn) die Basisförderung beispielsweise um das Fünffache, so müssen Produkte in den USA gefertigt werden (Local Content-Regeln).

Der Inflation Reduction Act sorgt für öffentliche grüne Investitionen in Unternehmen. Dies sorgt dafür, dass sich die Unternehmen aufstellen können und so wettbewerbsfähig bleiben. Hier sollte Europa nachziehen.
Wir fordern daher ergänzend zu den weiteren Forderungen des DGB, dass die SPD insgesamt und die SPD-Abgeordneten für folgende Punkte eintreten:

 

• Förderung von klimaneutralen Investitionen in Land und Bund

 

• Förderung (Zuschüsse an Unternehmen sowie Vergabe von Aufträgen in Land, Bund und EU) an Tarifbindung, Mitbestimmung, Beschäftigungserhalt und Standortsicherung knüpfen

 

• Staatliche Förderung nur in Zusammenhang mit Standort- und Beschäftigungsgarantien im Sinne der Guten Arbeit

 

• Die Stärkung der Klima- und Transformationsfonds sowie einen europäischen Transformationsfond einrichten

 

Empfänger:innen: SPD-Landesparteitag Rheinland-Pfalz, SPD-Landtagsfraktionen, SPD-Parteivorstand, SPD-Bundesparteitag, SPD-Bundestagsfraktion, SPD-Mitglieder der Bundesregierung, SPD-EU-Abgeordnete

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: Abgeordnete Europaparlament, Bundestagsfraktion, Landtagsfraktion