2018/2051/01 Gerechtigkeit heißt SPD

Status:
Annahme

Der Landesparteitag möge beschließen:

Nicht nur in Deutschland, auch in vielen Ländern Europas beobachten wir derzeit einen erschreckenden Vertrauensverlust der sozialdemokratischen Parteien.
Dabei ist gerade heute, jetzt, eine starke Sozialdemokratie wichtig für unser Land und Europa.
Die SPD ist in ihrer stolzen Geschichte lange Garant für Frieden, Freiheit, Solidarität und Gleichberechtigung gewesen.
In den letzten Jahren haben die Menschen jedoch das Vertrauen in die Partei, die mehr als alle anderen für Gerechtigkeit steht, verloren. „Wir wollen uns als Partei erneuern und Vertrauen zurückgewinnen.“, lautet der Beschluss des Parteivorstands im April 2018.
Dabei muss sich die SPD nicht neu erfinden, sie muss sich ihrer Wurzeln erinnern: friedenssichernd, sozial, demokratisch und ökologisch.
Unsere Demokratie darf nicht marktkonform sein, sondern der Markt muss demokratisch und sozial gestaltet werden. Hierfür wollen wir sozialdemokratische Antworten finden, wie sich der Staat, wie sich Europa entwickeln soll, auch mutig wieder Visionen denken, neue Wege beschreiten und Fehler der Vergangenheit korrigieren.

I.
Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit! Wir brauchen einen gerechten Familienlastenausgleich!
Die derzeitige Besteuerung von Familien ist nicht zeitgemäß und benachteiligt die Familien und insbesondere Alleinerziehende mit wenig Einkommen.
Von sich ausweitender Armut bis in den Mittelstand hinein sind Familien mit Kindern besonders betroffen. Das Verarmungsrisiko für Einelternfamilien, Familien mit mehreren Kindern und erwerbslosen Eltern ist besonders hoch.
Kinderarmut darf es in einem so reichen Land wie unserem nicht geben.
Daher fordern wir den Mut zu einer Gesamtlösung und einen grundsätzlichen Systemwechsel zur Kindergrundsicherung, so dass restlos alle Kinder vor Armut geschützt sind.

Die Kindergrundsicherung schafft soziale Gerechtigkeit und ist eine unmittelbare Förderung von Kindern, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, solidarisch und fair.
Die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums sowie des Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsbedarfs in der jetzigen Form geht an den Familien vorbei, deren selbst erwirtschaftetes Einkommen nicht zur Ausschöpfung der Steuerfreibeträge ausreicht.
Um Steuergerechtigkeit für Familien mit Kindern zu erreichen, muss als ersten Schritt das Kindergeld mindestens die steuerliche Wirkung des Kinderfreibetrages beim Spitzensteuersatz erreichen, das heißt, auf mehr als 300 € angehoben werden.

Solange Vermögende und finanzstarke Unternehmen keinen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten müssen, bleibt unser Steuersystem ungerecht. Damit die Kluft zwischen arm und reich nicht weiter auseinanderdriftet, und unsere Gesellschaft spaltet, sind starke Schultern wieder mehr in die Pflicht zu nehmen.
Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit durch

  • Anhebung des Spitzensteuersatzes auf wieder 49 % bei gleichzeitiger Senkung der Steuersätze im unteren Einkommensteuerbereich
  • Abschaffung der Abgeltungssteuer
  • Einführung der Vermögenssteuer
  • Ahndung von Steuerbetrug als gravierende Verstöße gegen die Gesellschaft und Verhinderung von Verdunklungsmöglichkeiten

 

II.
Wir brauchen eine solidarische Gesellschaft! Wir brauchen Wege aus Hartz IV!
Die Regelung zum Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II hat die SPD ihre Glaubwürdigkeit als Partei für soziale Gerechtigkeit gekostet und zu einer Entsolidarisierung innerhalb unseres Sozialversicherungssystem geführt: die Abstiegstreppe wurde steiler, wer fiel, fiel schneller und kam kaum wieder hoch.
Um dies wieder umzukehren, muss die SPD gerade im Bereich der Sozialpolitik klare Grundsätze verkörpern.
Wir fordern daher eine Umkehr zu einer gerechten und solidarischen Sozialpolitik und hierfür eine deutliche Korrektur von Hartz IV durch

  • Abbau der Hürden für den Arbeitslosengeldbezug durch Erleichterung des Zugangs zur Arbeitslosenversicherung, indem die Rahmenfrist von zwei auf wieder drei Jahre verlängert wird, d.h. dass innerhalb von drei statt zwei Jahren wieder zwölf Monate gearbeitet werden muss, um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben.
  • Erhöhung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I auf bis zu 36 Monate, in Abhängigkeit von vorherigen Beschäftigungszeiten und dem Alter.
  • Einführung eines Mindestarbeitslosengeldes, das oberhalb des Grundsicherungsniveaus für Alleinlebende liegt.
  • Erhöhung und Neuberechnung der Regelsätze.
  • Abschaffung der Sanktionen.
  • Anpassung der Zumutbarkeitsregelungen bei ALG II an ALG I.
  • Erhöhung der Zuverdienstmöglichkeiten ohne Stufen und Deckel, d.h. nach dem Freibetrag von 100 Euro kann immer 20 % des Zuverdienstes pro Monat behalten werden und der Deckel von 1200 Euro pro Monat entfällt. Das betrifft insbesondere Saisonarbeiter*innen wie Erntehelfer und Menschen, die wie z.B. Schauspieler oder Grafikdesigner, die von Aufträgen leben.

III.
Wir brauchen eine Rente, von der die Menschen leben können.
Derzeit leben rund 2,7 Millionen Menschen nach ihrem 65. Geburtstag in Armut oder sind von Armut bedroht, in hohem Maß davon betroffen sind schon heute Frauen. Der Hälfte der 55- bis 64-jährigen Arbeitnehmer wird im Ruhestand Geld zur Wahrung ihres gewohnten Lebensstandards fehlen. Zu dieser Einschätzung kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Demnach fehlen den Betroffenen im Schnitt 700 Euro pro Monat. Damit sei es Millionen Menschen in Deutschland nicht möglich, ihren aktuellen Konsum inklusive Wohnen zu finanzieren, heißt es.
Überdurchschnittlich oft treffe dies Frauen, Singles, Un- und Angelernte sowie Selbstständige. Selbst wenn im Ruhestand Ausgaben z.B. für das Pendeln zur Arbeit wegfallen, müssten Ältere mehr für Krankheit und Pflege ausgeben, heißt es in der DIW-Studie, die von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung finanziert wurde.
Aktuell verdienen 44 Prozent der sozialversicherungspflichtig Erwerbstätigen weniger als monatlich 2.500 Euro brutto. Rechnet man noch die 5,14 Millionen Minijobber hinzu, verdienen deutschlandweit rund 50 Prozent aller Beschäftigten weniger als 2.500 Euro brutto.
Frauen sind von Altersarmut am meisten betroffen. 62 Prozent der Frauen im Westen und 68 Prozent der Frauen im Osten verdienen laut einer Studie des Pestel-Institutes von 2018 weniger als 2.500 Euro im Monat. Dazu kommt, dass Frauen für Kinder-erziehung oder die Pflege von Angehörigen oft ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen mit der Folge, dass viele Frauen weniger Beitragsjahre in der Rentenkasse ansammeln können.
Weiter führt die Studie aus, dass Menschen, die nur auf 40 oder 30 Beitragsjahre kommen, auf Hartz-IV-Niveau abrutschen. Ohne politische Veränderungen sinkt das Rentenniveau von heute 48 Prozent innerhalb der nächsten 25 Jahre auf 42 Prozent.

Private Vorsorge löst das Problem nicht
Bei der Studie des Pestel Institut wurde auch berücksichtigt, dass viele Arbeitnehmer nicht oder nicht ausreichend privat vorsorgen (können), etwa mit einer Riester-Rente. Allein bei denen mit einem Monatseinkommen von 1500 bis 2500 Euro brutto seien das 4,9 Millionen, die im Alter von Grundsicherung leben müssten. Dazu kämen rund neun Millionen Arbeitnehmer mit einem Einkommen unter 1500 Euro brutto, die auch mit privater Vorsorge nicht über das Grundsicherungsniveau kommen.

Ein Schritt in die richtige Richtung
Im August wurde vom Bundeskabinett das von SPD und Union ausgehandelte Rentenpaket beschlossen. Das Paket sieht unter anderem vor, dass das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent bis 2025 stabilisiert werden soll. Der Beitragssatz soll nicht über 20 Prozent steigen. Aktuell liegt er bei 18,6 Prozent.
Dies kann aber wirklich nur der erste Schritt sein.

Wir begrüßen die Forderung von Arbeitsminister Scholz nach einer langfristigen Stabilisierung des Rentenniveaus. Es sei eine Frage des politischen Willens, eine stabile Rente zu finanzieren, sagte Scholz dem Hamburger Magazin Stern. „Mich empört, dass Politiker, die jährlich 40 Milliarden Euro zusätzlich für Verteidigung auszugeben bereit wären, laut wehklagen, sobald es um geringere Summen für die Rente geht“, sagte er.

Forderungen:

  • Die gesetzliche Rente ist zu stärken
  • Um eine langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus zu erreichen, muss der Beitragssatz auf bis zu 25 Prozent angehoben werden
  • Dafür ist der Bundeszuschuss für die Rentenkassen um rund 30 Milliarden Euro anzuheben
  • Das Rentenniveau ist wieder auf mindestens 50% anzuheben.
  • Die Beitragsbemessungsgrenze muss drastisch angehoben werden. Wer beispielsweise 8000 oder 9000 Euro monatlich verdient, muss auch für 8000 oder 9000 Euro Beiträge zahlen.
  • Menschen mit geringem Einkommen müssen höhere Altersbezüge erhalten.
  • Wer über ein Erwerbseinkommen verfügt, zahlt ohne Ausnahme Beiträge seinem Einkommen entsprechend in die gesetzliche Rentenversicherung ein. (also auch Politiker/innen, Beamtinnen und Beamte, Selbstständige…)

IV. Wir brauchen eine solidarische Bürgerversicherung für alle in Gesundheit und Pflege

Nachdem nun endlich die Parität bei der Finanzierung der Sozialversicherung wieder durchgesetzt wurde, und die Beiträge wieder gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert werden, muss nun als nächster Schritt die solidarische Bürgerversicherung eine gute und pflegerische Versorgung unabhängig vom Einkommen sicherstellen.
Eine Zwei-Klassen-Medizin darf es nicht länger geben. Krankheit und Pflege müssen solidarisch von allen gemeinsam getragen werden, die solidarische Krankenversicherung ist auf alle Einkommensarten auszuweiten. Jede und jeder zahlt nach seinem gesamten Einkommen. Beamte, Selbständige und Besserverdienende werden Teil der Solidargemeinschaft.
Damit werden insbesondere Geringverdiener, Alleinerziehende, Familien und Rentner unterstützt, da sich die dann mögliche Absenkung des Beitragssatzes unmittelbar bei ihnen, aber auch bei den Arbeitgebern auswirkt.
Höhere Beiträge haben alle diejenigen zu entrichten, die über hohe Zinseinkünfte und zusätzlichen Einkommen aus selbständiger Arbeit verfügen.
Gute Gesundheitsversorgung darf nicht vom Einkommen abhängen. Deswegen ist die Bürgerversicherung als gesetzliches Krankenkassensystem für alle einzuführen.

Es ist gut, dass endlich auch wieder in der SPD entscheidende gesellschaftliche Debatten geführt werden. Ein eigenständiger programmatischer Diskurs mit Perspektiven über den Tag hinaus ist keine Schwäche, sondern Voraussetzung für eine starke Sozialdemokratie!

Version der Antragskommission:

Die Empfehlung der Antragskommission folgt auf dem Parteitag.

Beschluss: Annahme und Überweisung an den Parteivorstand
Text des Beschlusses:

Nicht nur in Deutschland, auch in vielen Ländern Europas beobachten wir derzeit einen erschreckenden Vertrauensverlust der sozialdemokratischen Parteien.
Dabei ist gerade heute, jetzt, eine starke Sozialdemokratie wichtig für unser Land und Europa.
Die SPD ist in ihrer stolzen Geschichte lange Garant für Frieden, Freiheit, Solidarität und Gleichberechtigung gewesen.
In den letzten Jahren haben die Menschen jedoch das Vertrauen in die Partei, die mehr als alle anderen für Gerechtigkeit steht, verloren. „Wir wollen uns als Partei erneuern und Vertrauen zurückgewinnen.“, lautet der Beschluss des Parteivorstands im April 2018.
Dabei muss sich die SPD nicht neu erfinden, sie muss sich ihrer Wurzeln erinnern: friedenssichernd, sozial, demokratisch und ökologisch.
Unsere Demokratie darf nicht marktkonform sein, sondern der Markt muss demokratisch und sozial gestaltet werden. Hierfür wollen wir sozialdemokratische Antworten finden, wie sich der Staat, wie sich Europa entwickeln soll, auch mutig wieder Visionen denken, neue Wege beschreiten und Fehler der Vergangenheit korrigieren.

I.
Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit! Wir brauchen einen gerechten Familienlastenausgleich!
Die derzeitige Besteuerung von Familien ist nicht zeitgemäß und benachteiligt die Familien und insbesondere Alleinerziehende mit wenig Einkommen.
Von sich ausweitender Armut bis in den Mittelstand hinein sind Familien mit Kindern besonders betroffen. Das Verarmungsrisiko für Einelternfamilien, Familien mit mehreren Kindern und erwerbslosen Eltern ist besonders hoch.
Kinderarmut darf es in einem so reichen Land wie unserem nicht geben.
Daher fordern wir den Mut zu einer Gesamtlösung und einen grundsätzlichen Systemwechsel zur Kindergrundsicherung, so dass restlos alle Kinder vor Armut geschützt sind.

Die Kindergrundsicherung schafft soziale Gerechtigkeit und ist eine unmittelbare Förderung von Kindern, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, solidarisch und fair.
Die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums sowie des Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsbedarfs in der jetzigen Form geht an den Familien vorbei, deren selbst erwirtschaftetes Einkommen nicht zur Ausschöpfung der Steuerfreibeträge ausreicht.
Um Steuergerechtigkeit für Familien mit Kindern zu erreichen, muss als ersten Schritt das Kindergeld mindestens die steuerliche Wirkung des Kinderfreibetrages beim Spitzensteuersatz erreichen, das heißt, auf mehr als 300 € angehoben werden.

Solange Vermögende und finanzstarke Unternehmen keinen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten müssen, bleibt unser Steuersystem ungerecht. Damit die Kluft zwischen arm und reich nicht weiter auseinanderdriftet, und unsere Gesellschaft spaltet, sind starke Schultern wieder mehr in die Pflicht zu nehmen.
Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit durch

  • Anhebung des Spitzensteuersatzes auf wieder 49 % bei gleichzeitiger Senkung der Steuersätze im unteren Einkommensteuerbereich
  • Abschaffung der Abgeltungssteuer
  • Einführung der Vermögenssteuer
  • Ahndung von Steuerbetrug als gravierende Verstöße gegen die Gesellschaft und Verhinderung von Verdunklungsmöglichkeiten

II.
Wir brauchen eine solidarische Gesellschaft! Wir brauchen Wege aus Hartz IV!
Die Regelung zum Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II hat die SPD ihre Glaubwürdigkeit als Partei für soziale Gerechtigkeit gekostet und zu einer Entsolidarisierung innerhalb unseres Sozialversicherungssystem geführt: die Abstiegstreppe wurde steiler, wer fiel, fiel schneller und kam kaum wieder hoch.
Um dies wieder umzukehren, muss die SPD gerade im Bereich der Sozialpolitik klare Grundsätze verkörpern.
Wir fordern daher eine Umkehr zu einer gerechten und solidarischen Sozialpolitik und hierfür eine deutliche Korrektur von Hartz IV durch

  • Abbau der Hürden für den Arbeitslosengeldbezug durch Erleichterung des Zugangs zur Arbeitslosenversicherung, indem die Rahmenfrist von zwei auf wieder drei Jahre verlängert wird, d.h. dass innerhalb von drei statt zwei Jahren wieder zwölf Monate gearbeitet werden muss, um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben.
  • Erhöhung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I auf bis zu 36 Monate, in Abhängigkeit von vorherigen Beschäftigungszeiten und dem Alter.
  • Einführung eines Mindestarbeitslosengeldes, das oberhalb des Grundsicherungsniveaus für Alleinlebende liegt.
  • Erhöhung und Neuberechnung der Regelsätze.
  • Abschaffung der Sanktionen.
  • Anpassung der Zumutbarkeitsregelungen bei ALG II an ALG I.
  • Erhöhung der Zuverdienstmöglichkeiten ohne Stufen und Deckel, d.h. nach dem Freibetrag von 100 Euro kann immer 20 % des Zuverdienstes pro Monat behalten werden und der Deckel von 1200 Euro pro Monat entfällt. Das betrifft insbesondere Saisonarbeiter*innen wie Erntehelfer und Menschen, die wie z.B. Schauspieler oder Grafikdesigner, die von Aufträgen leben.

III.
Wir brauchen eine Rente, von der die Menschen leben können.
Derzeit leben rund 2,7 Millionen Menschen nach ihrem 65. Geburtstag in Armut oder sind von Armut bedroht, in hohem Maß davon betroffen sind schon heute Frauen. Der Hälfte der 55- bis 64-jährigen Arbeitnehmer wird im Ruhestand Geld zur Wahrung ihres gewohnten Lebensstandards fehlen. Zu dieser Einschätzung kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Demnach fehlen den Betroffenen im Schnitt 700 Euro pro Monat. Damit sei es Millionen Menschen in Deutschland nicht möglich, ihren aktuellen Konsum inklusive Wohnen zu finanzieren, heißt es.
Überdurchschnittlich oft treffe dies Frauen, Singles, Un- und Angelernte sowie Selbstständige. Selbst wenn im Ruhestand Ausgaben z.B. für das Pendeln zur Arbeit wegfallen, müssten Ältere mehr für Krankheit und Pflege ausgeben, heißt es in der DIW-Studie, die von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung finanziert wurde.
Aktuell verdienen 44 Prozent der sozialversicherungspflichtig Erwerbstätigen weniger als monatlich 2.500 Euro brutto. Rechnet man noch die 5,14 Millionen Minijobber hinzu, verdienen deutschlandweit rund 50 Prozent aller Beschäftigten weniger als 2.500 Euro brutto.
Frauen sind von Altersarmut am meisten betroffen. 62 Prozent der Frauen im Westen und 68 Prozent der Frauen im Osten verdienen laut einer Studie des Pestel-Institutes von 2018 weniger als 2.500 Euro im Monat. Dazu kommt, dass Frauen für Kinder-erziehung oder die Pflege von Angehörigen oft ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen mit der Folge, dass viele Frauen weniger Beitragsjahre in der Rentenkasse ansammeln können.
Weiter führt die Studie aus, dass Menschen, die nur auf 40 oder 30 Beitragsjahre kommen, auf Hartz-IV-Niveau abrutschen. Ohne politische Veränderungen sinkt das Rentenniveau von heute 48 Prozent innerhalb der nächsten 25 Jahre auf 42 Prozent.

Private Vorsorge löst das Problem nicht
Bei der Studie des Pestel Institut wurde auch berücksichtigt, dass viele Arbeitnehmer nicht oder nicht ausreichend privat vorsorgen (können), etwa mit einer Riester-Rente. Allein bei denen mit einem Monatseinkommen von 1500 bis 2500 Euro brutto seien das 4,9 Millionen, die im Alter von Grundsicherung leben müssten. Dazu kämen rund neun Millionen Arbeitnehmer mit einem Einkommen unter 1500 Euro brutto, die auch mit privater Vorsorge nicht über das Grundsicherungsniveau kommen.

Ein Schritt in die richtige Richtung
Im August wurde vom Bundeskabinett das von SPD und Union ausgehandelte Rentenpaket beschlossen. Das Paket sieht unter anderem vor, dass das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent bis 2025 stabilisiert werden soll. Der Beitragssatz soll nicht über 20 Prozent steigen. Aktuell liegt er bei 18,6 Prozent.
Dies kann aber wirklich nur der erste Schritt sein.

Wir begrüßen die Forderung von Arbeitsminister Scholz nach einer langfristigen Stabilisierung des Rentenniveaus. Es sei eine Frage des politischen Willens, eine stabile Rente zu finanzieren, sagte Scholz dem Hamburger Magazin Stern. „Mich empört, dass Politiker, die jährlich 40 Milliarden Euro zusätzlich für Verteidigung auszugeben bereit wären, laut wehklagen, sobald es um geringere Summen für die Rente geht“, sagte er.

Forderungen:

  • Die gesetzliche Rente ist zu stärken
  • Um eine langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus zu erreichen, muss der Beitragssatz auf bis zu 25 Prozent angehoben werden
  • Dafür ist der Bundeszuschuss für die Rentenkassen um rund 30 Milliarden Euro anzuheben
  • Das Rentenniveau ist wieder auf mindestens 50% anzuheben.
  • Die Beitragsbemessungsgrenze muss drastisch angehoben werden. Wer beispielsweise 8000 oder 9000 Euro monatlich verdient, muss auch für 8000 oder 9000 Euro Beiträge zahlen.
  • Menschen mit geringem Einkommen müssen höhere Altersbezüge erhalten.
  • Wer über ein Erwerbseinkommen verfügt, zahlt ohne Ausnahme Beiträge seinem Einkommen entsprechend in die gesetzliche Rentenversicherung ein. (also auch Politiker/innen, Beamtinnen und Beamte, Selbstständige…)

IV. Wir brauchen eine solidarische Bürgerversicherung für alle in Gesundheit und Pflege

Nachdem nun endlich die Parität bei der Finanzierung der Sozialversicherung wieder durchgesetzt wurde, und die Beiträge wieder gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert werden, muss nun als nächster Schritt die solidarische Bürgerversicherung eine gute und pflegerische Versorgung unabhängig vom Einkommen sicherstellen.
Eine Zwei-Klassen-Medizin darf es nicht länger geben. Krankheit und Pflege müssen solidarisch von allen gemeinsam getragen werden, die solidarische Krankenversicherung ist auf alle Einkommensarten auszuweiten. Jede und jeder zahlt nach seinem gesamten Einkommen. Beamte, Selbständige und Besserverdienende werden Teil der Solidargemeinschaft.
Damit werden insbesondere Geringverdiener, Alleinerziehende, Familien und Rentner unterstützt, da sich die dann mögliche Absenkung des Beitragssatzes unmittelbar bei ihnen, aber auch bei den Arbeitgebern auswirkt.
Höhere Beiträge haben alle diejenigen zu entrichten, die über hohe Zinseinkünfte und zusätzlichen Einkommen aus selbständiger Arbeit verfügen.
Gute Gesundheitsversorgung darf nicht vom Einkommen abhängen. Deswegen ist die Bürgerversicherung als gesetzliches Krankenkassensystem für alle einzuführen.

Es ist gut, dass endlich auch wieder in der SPD entscheidende gesellschaftliche Debatten geführt werden. Ein eigenständiger programmatischer Diskurs mit Perspektiven über den Tag hinaus ist keine Schwäche, sondern Voraussetzung für eine starke Sozialdemokratie!

Beschluss-PDF: