2025/E/1 Solidarischer Wiederaufbau Syriens – für eine friedliche und gerechte Zukunft

Status:
Nicht Abgestimmt

Der Bürgerkrieg in Syrien brach im Jahr 2011 im Zuge des Arabischen Frühlings aus – einer Welle von Protesten gegen autoritäre Regime in der arabischen Welt. In Syrien richteten sich die Demonstrationen gegen das Regime von Baschar al-Assad, das seit Jahrzehnten durch politische Repression, fehlende Meinungsfreiheit und einen mächtigen Sicherheitsapparat geprägt war. Die sozialen Spannungen im Land hatten sich zuvor bereits durch wirtschaftliche Ungleichheit, hohe Arbeitslosigkeit und eine langanhaltende Dürre verschärft, die viele Menschen in Armut gestürzt hatte. Der unmittelbare Auslöser des Konflikts war das brutale Vorgehen des Regimes gegen Demonstrierende in der Stadt Daraa, nachdem Kinder regierungskritische Graffiti gesprüht hatten. Aus zunächst friedlichen Protesten entwickelte sich ein bewaffneter Aufstand, der in einen langjährigen Bürgerkrieg mündete. Dabei spielten auch konfessionelle Spannungen zwischen der alawitischen Führung und der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit eine Rolle. Im weiteren Verlauf wurde der Konflikt zunehmend durch internationale Akteure beeinflusst: Russland und der Iran unterstützten das Assad-Regime, während westliche Staaten, die Türkei und Golfstaaten verschiedene Oppositionsgruppen förderten. Später verschärfte die Ausbreitung extremistischer Gruppen wie dem sogenannten Islamischen Staat die Situation zusätzlich. Der syrische Bürgerkrieg ist ein komplexer, international verflochtener Konflikt mit katastrophalen humanitären Folgen. Millionen sind geflüchtet, Hunderttausende gestorben, ganze Städte liegen in Trümmern. Nach dem Fall des autoritären Assad- Regimes und der Machtübernahme durch eine zivile Übergangsregierung unter Ahmad al- Sharrah und ehemaligen syrischen Oppositionsgruppen eröffnet sich nun die historische Chance, Syrien neu und demokratisch aufzubauen. Dieser Wendepunkt verlangt internationale Solidarität.

Die derzeitige Übergangsregierung unter Ahmad al-Sharrah ist nicht unumstritten. Einzelne Akteure stehen in Verbindung mit der islamistischen Miliz Hayat Tahrir al- Sham (HTS), die weiterhin Einfluss in Teilen des Landes ausübt. Die aktuell geltende „Übergangsverfassung“ orientiert sich in weiten Teilen am islamischen Recht, was insbesondere aus frauen- und menschenrechtlicher Perspektive kritisch zu bewerten ist. Eine demokratische Entwicklung Syriens kann nur dann gelingen, wenn Grund- und Freiheitsrechte universell garantiert werden. Aus jungsozialistischer Sicht ist die Unterstützung Syriens in dieser Phase nicht nur eine humanitäre Pflicht, sondern auch ein Beitrag zu einer gerechten Weltordnung, die auf Frieden, Selbstbestimmung und wirtschaftlicher Gerechtigkeit basiert. Ein stabiles, demokratisches Syrien bedeutet zudem mehr Sicherheit für die gesamte Region und eine neue Perspektive für Geflüchtete, die derzeit in Europa und darüber hinaus leben. Deutschland muss bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen und bei jeglicher Unterstützung der Übergangsregierung besonderen Wert auf die Förderung demokratischer Strukturen und rechtsstaatlicher Prinzipien legen. Menschenrechte, insbesondere die Rechte von Frauen, Minderheiten und politisch Andersdenkenden, müssen dabei Priorität haben.

Deshalb fordern wir die SPD im Sinne der internationalen Solidarität dazu auf, sich auf allen Ebenen für die folgenden Punkte einzusetzen:

1. Finanzielle und logistische Unterstützung des Wiederaufbaus Syriens durch Krankenhäuser, Wasser- und Energieversorgung sowie soziale Wohnprojekte.

2. Ein entwicklungspolitisches Sonderprogramm zur Unterstützung Syriens, das gezielt Maßnahmen zur Armutsbekämpfung, Förderung von Bildung und Aufbau von Arbeitsplätzen umfasst.

3. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur neuen Übergangsregierung Syriens, um einen politischen und wirtschaftlichen Austausch auf Augenhöhe zu ermöglichen.

4. Den Abschluss fairer und nachhaltiger Handelsabkommen zwischen Syrien und der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere im Bereich Textilien (z. B. Baumwolle), Agrarprodukte und Technologie, um die syrische Wirtschaft langfristig zu stabilisieren. Diese Abkommen müssen dabei unter strikter Einhaltung menschenrechtlicher und arbeitsrechtlicher Standards stehen. Eine Kooperation darf autoritäre oder diskriminierende Strukturen nicht fördern.

5. Die Unterstützung beim Aufbau unabhängiger Gewerkschaften und Arbeiter*innenvertretungen in Syrien, um menschenwürdige Arbeitsbedingungen und faire Löhne zu sichern.

6. Eine Überprüfung und ggf. Neubewertung der EU-Sanktionen gegenüber Syrien, mit dem Ziel, rein wirtschafts- und zivilgesellschaftsbezogene Entwicklung nicht länger zu behindern, ohne dabei menschenrechtliche Standards zu vernachlässigen.

7. Ein uneingeschränktes Nein zu Abschiebungen nach Syrien. Gleichzeitig sollen Programme geschaffen werden, die es syrischen Geflüchteten ermöglichen, vor einer freiwilligen Rückkehr eine Erkundungsreise nach Syrien anzutreten – etwa, um den Zustand ihrer Häuser oder Familienangelegenheiten zu prüfen – ohne dass sich dies negativ auf ihren Aufenthaltsstatus oder Sozialleistungsanspruch in Deutschland auswirkt. Solche Programme müssen rechtssicher, freiwillig und rückkehroffen gestaltet werden. Rückkehrer*innen müssen das Recht behalten, nach Deutschland zurückzukehren, wenn sich eine dauerhafte Rückkehr in ihr Herkunftsland als nicht möglich oder unzumutbar herausstellt. Die ablehnende Haltung gegenüber Abschiebungen ist angesichts der anhaltenden Unsicherheit in Syrien zwingend: Der sogenannte Islamische Staat (IS) gewinnt erneut an Einfluss, während regimetreue Milizen wie auch staatliche Einheiten für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden. In vielen Regionen herrschen Willkür, Gewalt und Rechtlosigkeit. Eine sichere Rückkehr ist derzeit nicht pauschal gewährleistet.

8. Eine Überprüfung der Aufnahme Syriens in europäische und internationale entwicklungspolitische Netzwerke, um die Integration des Landes in die globale Gemeinschaft voranzutreiben.

9. Deutschland soll auf diplomatischem Weg sich dafür einsetzten, dass Syrien und Israel (Wirtschafts-)Beziehungen aufbauen, dabei soll auch beobachtet werden, inwiefern sich antisemitische Einstellungen in der syrischen Gesellschaft verändern.

10. Der Wiederaufbau in Syrien muss auch in den kurdischen Gebieten stattfinden. Dafür muss zwischen dem syrischen Staat und den Kurd*innen ein vertrauensvolles und friedliches Zusammenleben entstehen. Außerdem muss die Türkei ihre völkerrechtswidrige Besatzung in den kurdischen Gebieten Syriens beenden und Angriffe auf Kurd*innen in Syrien sofort beenden.

Besonders gefährdet sind ethnische und religiöse Minderheiten wie Kurd*innen, Christ*innen und Drus*innen, die weiterhin teils systematisch diskriminiert oder verfolgt werden. Mädchen und Frauen sind vielerorts massiver Gewalt, struktureller Benachteiligung und einem weitreichenden Mangel an Rechten und Schutz ausgesetzt. Ein echter Wiederaufbau Syriens muss daher immer auch ein emanzipatorischer sein.

Die Situation in Syrien befindet sich an einem Wendepunkt. Nach Jahren der Gewalt bietet sich eine einmalige Gelegenheit, dem Land beim Übergang zu Frieden, Demokratie und wirtschaftlicher Stabilität zu helfen. Als Sozialist*innen stehen wir in der Tradition internationaler Solidarität. Wir wissen: Kein Land baut sich allein wieder auf – besonders nicht nach einem solch verheerenden Konflikt.

Die Unterstützung Syriens bedeutet nicht, die Fehler westlicher Interventionspolitik zu wiederholen – sie bedeutet, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Mit gezielter Entwicklungszusammenarbeit, fairen Handelsbeziehungen und einem politischen Dialog auf Augenhöhe kann Deutschland einen nachhaltigen Beitrag zur Stabilisierung der Region leisten. Gleichzeitig senden wir ein klares Signal: Abschiebungen nach Syrien sind untragbar.

Viele syrische Mitbürger*innen haben in Deutschland ihre Heimat gefunden, in der sie arbeiten, lernen, Familien gründen und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen. Es wäre zutiefst unsolidarisch, diese Menschen nun zu zwingen, alles aufzugeben. Die Rechte, die sie hier erlangt haben, müssen respektiert und geschützt werden.

Gleichzeitig sollen jene, die freiwillig zurückkehren möchten, um beim Wiederaufbau zu helfen, gezielte Unterstützung erhalten – mit finanzieller und organisatorischer Begleitung sowie gesicherter Rückkehroption nach Deutschland, falls die Bedingungen es erfordern.

Ein wirtschaftlich starkes Syrien, das den Weg aus dem Status eines Entwicklungslandes schafft, nützt langfristig auch Europa. Frieden und Wohlstand sind kein Nullsummenspiel – sie entstehen durch Zusammenarbeit auf Augenhöhe, Solidarität und gemeinsame Verantwortung.

Wir fordern die SPD auf, sich dieser Verantwortung zu stellen und den Wiederaufbau Syriens aktiv mitzugestalten – im Geiste internationaler Solidarität und Gerechtigkeit, im Namen der Menschlichkeit.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Version der Antragskommission
Version der Antragskommission:

Z. 89 ff „Eine weitere Stärkung des entwicklungspolitischen Engagements Deutschlands in Syrien, insbesondere den Maßnahmen mit Fokus auf Armutsbekämpfung, Förderung von Bildung und dem Aufbau von Arbeitsplätzen.“

 

Z.121 ersetzen durch: “7. Grundsätzlich keine Abschiebungen nach Syrien.”

 

Z.198 bis 200 streichen: “Gleichzeitig senden wir ein klares Signal: Abschiebungen nach Syrien sind untragbar.”