2023/I/3 Ein sozialdemokratisches Europa in der Zeitenwende

Status:
Annahme

Europa ist und bleibt das größte und erfolgreichste Friedens- und Wohlstandsprojekt unserer Zeit. Die Europäische Union ermöglicht uns allen ein Leben in Freiheit, schützt Menschenrechte, die Umwelt und unsere Lebensgrundlagen, und schafft wirtschaftlichen Wohlstand und politische Partnerschaft über nationale Grenzen hin-weg. Die Europäische Union sichert nach innen langanhaltenden Frieden und schafft zugleich – im Verbund mit Europas Partnern – Sicherheit nach außen. In einer Welt, in der starke Fliehkräfte wirken, erlaubt uns die Europäische Union, gemeinsam für unsere Interessen einzutreten und die internationale Ordnung mitzugestalten. Die europäische Idee ist und bleibt die Antwort auf die großen Aufgaben der Gegenwart und Zukunft.

 

Europa in der Zeitenwende

 

Europa hat in den multiplen Krisen der letzten Jahre gezeigt, dass es für uns alle da ist.

 

In der Umwelt- und Klimakrise, die nicht nur unseren Planeten, sondern vor allem auch unser tägliches Leben bedroht und verändert, haben wir es gemeinsam in der Europäischen Union geschafft, die Klimawende einzuleiten. Wir haben mit dem Green Deal den Weg eingeschlagen, um den Klimawandel soweit wie möglich abzuwenden. Durch den europaweiten Emissionshandel schaffen wir den Umstieg von der CO2-Wirtschaft in eine klimaneutrale Wirtschaft. Durch den Grenzausgleichsmechanismus tragen wir dazu bei, dass europäische Unternehmen in einem fairen Wettbewerb mit der globalen Konkurrenz stehen. Zudem schützen wir Umwelt und Artenvielfalt konkret in der gesamten EU.

Auch in der Corona-Pandemie hat Europa sich bewiesen. Die Pandemie hat viel Leid über Europa gebracht. Sie hat Europa aber auch näher zusammenwachsen lassen. Europa ist zu einer tieferen Wirtschafts- und Finanzunion geworden. Gerade auf Be-treiben der SPD hat Europa gemeinsam Zukunftsprojekte finanziert – fast 700 Milliarden Euro im Rahmen des RRF, wovon fast 60 % in die grüne und digitale Transformation investiert werden. Und wir haben dafür gesorgt, dass das erfolgreiche Modell des Kurzarbeitergeldes europaweit mit europäischer Hilfe Anwendung findet – mit SURE konnten wir verhindern, dass viele Mitgliedstaaten wirtschaftlich abrutschen. So hat die SPD auf europäischer Ebene praktisch einen Gegenentwurf zu den Merkel-Jahren geschaffen: nicht blinde Sparpolitik, sondern gemeinsam finanzierte, gezielte Investitionen in die Zukunftsfestigkeit zum Wohle der Menschen in ganz Europa. Das hat zugleich die europäische Resilienz maßgeblich erhöht.

Nachdem wir die Corona-Pandemie fest überwunden geglaubt haben, löste Putin die nächste globale Krise aus. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Welt nicht nur sicherheitspolitisch und geopolitisch grundliegend verändert. Er ist eine Zeitenwende – für Deutschland wie für Europa. Der russische Angriffskrieg hat die Friedensordnung in Europa untergraben, viele unserer geo- und energiepolitischen An-nahmen hinfällig gemacht sowie die Europäische Union in nie dagewesener Weise wirtschaftlich und militärisch herausgefordert. Auf diese Herausforderungen hat die EU mit umfassender Geschlossenheit reagiert. Sie hat wirtschaftliche und militärische Hilfe für die Ukraine mobilisiert, Millionen fliehenden Ukrainerinnen und Ukrainer Schutz gewährt und Russland mit aller Härte sanktioniert wie auch politisch isoliert. Zugleich hat Europa auf die Folgen des russischen Angriffskrieges reagiert, die das Leben aller Europäerinnen schwerer gemacht haben: hohe Energiekosten und Inflation sind eine große Herausforderung für viele Menschen in Deutschland wie in der EU. Hier haben Europa und die Mitgliedstaaten in enger Abstimmung den Bürgerinnen und Bürgern unter die Arme gegriffen: Energiesicherheit hergestellt, die Wirtschaft am Laufen gehalten und Menschen durch konkrete Hilfen unterstützt.

 

Antworten auf konkrete Herausforderungen

Europa durchlebt eine Zeitenwende. Nicht nur der russische Angriffskrieg auf die Uk-raine und seine Folgen, sondern auch der nachhaltige und digitale Wandel verlangen von uns neue Antworten in einer neuen Zeit. Nur gemeinsam können wir in Europa die nötigen Maßnahmen ergreifen. Wir müssen dabei insbesondere unsere Resilienz und strategische Autonomie als zentrale Zukunftsfragen entschieden ausbauen.

 

1. Soziales und Sicherheit

Europa muss den Menschen in Europa Sicherheit geben. Dabei werden wir aus der Zeitenwende gestärkt hervorgehen, wenn wir in Europa solidarisch zusammenhalten und die EU für die großen Zukunftsaufgaben robuster und handlungsfähiger machen. Die Menschen in Europa müssen dabei an erster Stelle stehen. Gute Arbeit, gute Löhne, eine sozial abgefederte ökologische Transformation, aber auch das Wissen, vor äußeren Bedrohungen geschützt zu sein, stehen bei einer sozialdemokratischen Europapolitik im Zentrum. Nur eine soziale EU ist eine EU, die den Menschen Sicherheit gibt und ihre Sorgen, etwa vor einer hohen Inflation und hohen Lebenshaltungskosten, aufnehmen kann – eine neo-liberale EU würde hier scheitern.

 

2. Energie und Klimawandel

Europa muss seinen Pfad zu einem klimaneutralen Kontinent weiter konsequent gehen. Wir alle spüren, dass der Klimawandel unser Leben schon heute beeinflusst und große Schäden hervorrufen kann. Hier müssen wir lokal und global weiter daran arbeiten, dass die Folgen des Klimawandels möglichst gering bleiben. Eine wesentliche Grundlage dafür, dass die Transformation gelingt, ist eine verlässliche Versorgung mit erneuerbaren Energien. Hierfür müssen wir den europäischen Markt fortentwickeln, Kapazitäten und Transportwege ausbauen, und Abhängigkeiten verringern.

Zugleich muss der Pfad zum klimaneutralen Kontinent sozialverträglich ausgestaltet sein – hierfür setzten wir uns als SPD ein. Wir können auf der einen Seite nachhaltiges Wachstum und zukunftsfeste Arbeitsplätze gewinnen. Auf der anderen Seite müssen wir Lösungen für die Menschen anbieten, deren Arbeitsplätze gefährdet sind und die Anpassungsmaßnahmen – wie die Sanierung von Gebäuden – überfordern würden.

 

3. Industrie, Lieferketten, Rohstoffe, Forschung und Technologie

Wir befinden uns auch in einer wirtschaftspolitischen Zeitenwende. Wir stehen vor Herausforderungen, die wir so noch nicht kannten. Die USA haben mit den „Bidenomics“ die Wirtschaftsordnung grundsätzlich geändert. Der Inflation Reduktion Act verfolgt eine „buy American“ Strategie und gibt nach aktuellen Schätzungen über eine Billion Dollar aus, um gerade klimafreundliche Industrie anzusiedeln. Hieraus entsteht ein großer Konkurrenzdruck und die Gefahr eines Beihilfen-Wettlaufs. China verfolgt andererseits eine protektionistische, staatskapitalistische Wirtschaftspolitik. Wir stehen in der Gefahr einer einseitigen Abhängigkeit, einerseits als Produktions-standort, andererseits als Absatzmarkt. Hier müssen wir mehr tun: De-Risking, nicht De-Coupeling ist das Ziel – also Risiken minimieren, ohne Verbindungen ganz zu kappen.

Grundansatz und Ziel einer gemeinsamen europäischen Antwort muss sein: Strate-gische Autonomie. Wir müssen bei strategisch wichtigen Technologien unsere Abhängigkeit verringern – Europa muss diversifizieren und gezielt investieren. Wir müssen Lieferketten breit aufstellen und Rohstoffversorgung sichern. Und zugleich müssen wir im europäischen Verbund selbst Kapazitäten schaffen: Durch Forschung, Entwicklung und Produktion. Dies gilt gerade für die Bereiche Chips, KI, grüne Technologie, militärische Fähigkeiten. Hier kommt dem deutschen Wirtschaftsmodell be-sondere Bedeutung zu. Gerade die Agilität der KMU, der Innovationsgeist und die langfristige Investitionsstrategie nach rheinland-pfälzischem Vorbild können die Basis dafür sein, dass wir global mithalten und vorne mitspielen.

Um diese strategische Autonomie zu erreichen, setzt Europa vielfältige Mittel ein: zum Beispiel konkrete Investitionsanstöße – sehr breit durch den RRF, aber auch sehr spezifisch, etwa durch den Chips Act. Europa sichert Lieferketten und Rohstoff-zugang – etwa durch den Critical Raw Materials Act. Europa setzt globale Standards – etwa beim Schutz der Umwelt, der Menschenrechte oder beim Einsatz neuer Technologien wie Künstlicher Intelligenz. Europa schafft aber auch Sicherheit für die Menschen in Europa – etwa durch einen europäischen Mindestlohn und gute Arbeits-bedingungen für Plattformarbeiterinnen und Plattformarbeiter, aber auch durch eine gerechte Wirtschaftsordnung, in der Frauen gleichberechtigt teilhaben.

Zugleich müssen wir sehen, wo wir Innovation und Investition erleichtern können. Die Digitalisierung der Verwaltung wird besser und muss besser werden. Verfahren müssen beschleunigt werden, gerade bei Projekten, die für die Infrastruktur und die Energiewende relevant sind. Forschung und Entwicklung in Europa müssen wir stärken. Schlüsselindustrien, wie die chemische und die Pharmaindustrie – die gerade in Rheinland-Pfalz so viel Wohlstand gebracht hat – unterstützen wir beim nachhaltigen Wandel.

4. Landwirtschaft und Tourismus

Der Schutz von Umwelt und Natur muss für uns mit einer nachhaltigen Landwirtschaft Hand in Hand gehen. Auf Initiative der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wird ab 2023 zum ersten Mal in der Geschichte der europäischen Agrarpolitik neben dem Schutz von Klima und Umwelt auch der Schutz der Menschen in den Fokus gerückt. Die Einhaltung von sozialen Mindeststandards wird zur Bedingung für den Erhalt von europäischen Geldern. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass die europäische Landwirtschaftspolitik nicht allem voran große Betriebe subventioniert, sondern gerade Landwirtinnen und Landwirte für den Klima-, Umwelt- oder Gewässerschutz wie für die Einhaltung sozialer Standards belohnt. Zugleich müssen wir darauf achten, dass Vorgaben für nachhaltige Landwirtschaft – wie etwa für den Weinbau – nicht unrealistische Anforderungen an die Produzentinnen und Produzenten stellen.

Das Zusammenleben in Europa erleben viele vor allem, wenn sie im Urlaub in andere Länder Europas reisen. Zugleich hat gerade die Tourismuswirtschaft, inklusive des Hotel- und Gaststättenwesens, wie auch die Kulturwirtschaft besonders unter Corona gelitten – trotz der umfassenden Hilfen, die wir hier durchgesetzt haben. Die Auswirkungen von Corona, aber auch des Klimawandels verändern den Tourismus. Wir unterstützen den Tourismussektor dabei, sich nachhaltig aufzustellen und neue An-gebote für die Zukunft anzubieten.

 

5. Migration

Eine der großen Chancen, aber auch Herausforderungen, vor denen wir in Europa stehen, ist die Migration von Menschen, die in Europa Schutz und Chancen suchen.

Wir haben innerhalb Europas offene Grenzen – eine zentrale Errungenschaft der europäischen Einigung und eine wesentliche Säule unseres gemeinsamen Wirtschaftsraums. Welche schwerwiegenden Folgen eine deren vorübergehende Schließung haben kann, hat uns gerade in unserer Heimat – wo offene Grenzen mit unseren Nachbarn Frankreich, Luxemburg und Belgien Teil unserer Identität sind – die Covid Pandemie gezeigt.

Mit offenen Grenzen für Waren gehen offene Grenzen für Menschen einher. Wir können mithin Migration nicht in Deutschland alleine regeln, sondern sind darauf an-gewiesen, innerhalb der Europäischen Union eine gemeinsame Lösung zu finden. Da das 1999 beschlossene gemeinsame europäische Asylsystem (GEAS) viele Schwachstellen aufweist, beraten wir derzeit über eine Reform. Ziel ist es, Mindest-standards für Asylverfahren und den Umgang mit Asylsuchenden zu definieren und so europaweit einheitlichen Schutz zu schaffen. Wenn klar ist, wer bleiben kann und wer nicht, müssen diese Entscheidungen auch vollzogen werden. So steigt bei an-deren Mitgliedsstaaten die Bereitschaft, wieder Geflüchtete aufzunehmen.

Neben einem geregelteren Verfahren für Asylsuchende wollen wir die Migrations-möglichkeiten zum Zwecke der Arbeitsaufnahme verbessern. Wir haben auch in Rheinland-Pfalz einen Arbeitskräftemangel, der sich durch den demografischen Wandel in den kommenden Jahren noch verstärken wird. Wir unterstützen die der-zeit laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Modernisierung der Vorschriften zur Blue Card, die Vereinfachung der kombinierten Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit geringen bis mittleren Qualifikationen sowie die Herabsetzung der Aufenthaltsdauer bis zum Erhalt einer langfristigen Aufenthaltsberechtigung. Zudem fordern wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten EU-Regeln zur Anerkennung der Qualifikation von Arbeitsmigrantinnen und Arbeits-migranten.

 

6. Menschenrechte, Gleichberechtigung

Die EU ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sie ist vor allem auch eine Werte-gemeinschaft. Die Wahrung der Menschenrechte, die Gleichberechtigung der Ge-schlechter, die Nichtdiskriminierung von Menschen, insbesondere aufgrund von Be-hinderung, Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung sind für uns zentrale, unverhandelbare Werte. So muss sich die EU weiter für den Schutz gerade von LGBTI-Personen eintreten – etwa gegenüber Mitgliedstaaten, die deren Rechte nicht wahren.

Bei der Gleichberechtigung der Geschlechter hat die EU in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Mit der Richtlinie zu Frauen in Führungspositionen sowie der Richtlinie Lohntransparenz haben wir zentrale Gleichberechtigungsanliegen durchgesetzt. Beides war nur möglich, weil die aktuelle Bundesregierung die jahrelange Blockadehaltung der CDU/CSU überwunden hat. Zudem hat die EU mit dem Beitritt zur Istanbul Konvention den Grundstein dafür gelegt, Frauen in allen Mitglied-staaten vor Gewalt zu schützen.

Wir wollen weitere, noch in Arbeit befindliche Vorhaben ebenso erfolgreich abschließen. Die Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt muss einen starken Schutz von Frauen schaffen, der gerade auch Vergewaltigungen umfasst. In Zukunft wollen wir sicherstellen, dass alle Menschen gegen sexistische Hassrede überall in der EU besser geschützt sind. Zudem muss das Recht auf sichere Abtreibungen in der EU Grundrechte Charta verankert werden. Schließlich setzen wir uns für die Frauenrechte Charta ein.

 

7. Ukraine, Frieden, globale EU

Europa war und ist ein Friedensprojekt – die EU sichert den Frieden in Europa und setzt sich zugleich global für Diplomatie, die Lösung von Konflikten sowie eine nach-haltige Entwicklung ein. Zugleich hat uns der russische Angriffskrieg auf die Ukraine schmerzlich gezeigt, dass wir mehr tun müssen, um den Frieden zu sichern und das Leben von Menschen sowie die Integrität und Souveränität anderer Staaten zu schützen. Spätestens jetzt wird uns Europäerinnen und Europäern deutlich, dass es Zeit ist, unsere eigene Rolle in der Welt neu zu definieren und mehr Verantwortung dafür zu übernehmen,

Europa muss seine Rolle als geopolitischer Akteur annehmen, Partnerschaften gera-de mit dem globalen Süden stärken und mehr in die eigene Sicherheit investieren. Erster Schritt dazu ist die bessere Abstimmung in der Verteidigungspolitik, eine Einigung auf Waffensysteme und die gemeinsame Beschaffung. Zugleich müssen wir um Partner in der ganzen Welt werben – zentral hierfür sind für uns Südamerika, wo das Mercosur-Abkommen dringend abgeschlossen werden muss, und Süd-Ost-Asien, wo wir unsere Partner gegenüber einem expansiven China stärken müssen.

 

8. Rechtsstaatlichkeit

Europa muss auch in seinen Werten resilient sein. Unser demokratisches, rechts-staatliches und auf Menschenrechten basierende System ist unser Wertefundament. Gleichzeitig ist es ein Garant für unseren Erfolg. Wo diese Werte gefährdet sind, gehen Gerechtigkeit und Sicherheit verloren – für die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für die Wirtschaft. Investitionssicherheit und ein rechtsstaatlicher Umgang mit Unternehmen sind zentral, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Demokratische und rechtsstaatliche Resilienz in der EU ist die Grundlage für alles Weitere. Hier können und müssen wir noch mehr tun. Die EU muss die Mittel zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit noch konsequenter anwenden. Zugleich braucht sie ein allgemeines Konditionalitätsinstrument: Wer den Rechtsstaat verletzt, dem müssen europäische Gelder gekürzt werden können. Auch der Entzug sonstiger Rechte muss leichter möglich sein.

 

9. Erweiterung und Reformen

Europa ist ein Erfolgsprojekt – es strahlt weit über seine Grenzen hinaus. Frieden, Freiheit und Wohlstand sind Versprechen, die auch Menschen in unserer Nachbarschaft für sich erringen wollen. Wir unterstützen sie deshalb auf ihrem Weg in die Europäische Union. Der Platz der Beitrittskandidaten ist in unserer Mitte – wobei sie es selbst in der Hand haben, die Schritte auf dem Weg zur Mitgliedschaft zu gehen.

Mit einer Erweiterung muss eine Reform und Vertiefung verbunden sein, um handlungsfähig zu bleiben und für zukünftige Herausforderungen gewappnet zu sein. Deshalb unterstützen wir einen Reformprozess, der die bestehenden Möglichkeiten zu mehr Integration ausschöpft – etwa die Abschaffung der Einstimmigkeit in den Bereichen Außenpolitik und Steuern.

 

Die EU-Wahl 2024 als Richtungswahl

Die EU hat viel erreicht – noch mehr gibt es zu tun. Zugleich erstarken überall in Europa die Kräfte, die die EU und ihre Werte untergraben und schwächen wollen. Sie verfolgen dabei allzu oft eine Agenda, die den Menschen, die sie wählen, am Ende schadet. Rechtspopulisten und Rechtsextremisten haben keine Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit. Ihnen Einhalt zu gebieten ist die wohl größte Auf-gabe vor der wir stehen. Hier stehen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf einem festen, in der Geschichte bewiesenen Wertefundament.

Von den anderen demokratischen Parteien erwarten wir ebenfalls eine klare Positionierung. Gerade die konservativen Parteien in Europa arbeiten jedoch daran, den Rechtspopulisten und Rechtsextremisten die Tür zu öffnen – in Finnland, Italien, Schweden arbeiten sie bereits zusammen, im Europäischen Parlament bereiten sie dies vor. Das ist eine große Gefahr für unser demokratisches und freiheitliches Europa.

De EU-Wahl 2024 ist eine Richtungswahl – sie entscheidet darüber, ob wir die Errungenschaften der letzten Jahre bewahren und fortführen können, oder ob Rechtspopulisten und Rechtsextremisten im Europäischen Parlament die Macht übernehmen. Das dürfen und werden wir nicht zulassen. Europa ist und bleibt – gerade angesichts der Zeitenwende – unsere Zukunft.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Version der Antragskommission
Version der Antragskommission:

Zeile 1:

Für uns in Rheinland-Pfalz ist und bleibt Europa das Größte…

 

Zeile 8:

Das leben wir in Rheinland-Pfalz Tag für Tag.

 

Zeile 16:

Die Europäische Idee leben wir im Verbund mit unseren Partnerinnen und Partnern in den europäischen Regionen und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Sie bleibt die Antwort auf die großen Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft.

 

Zeile 24:

Und wir sind für Europa da: Von Mainz aus ging der Impfstoff für Covid19 in die ganze Welt.

Text des Beschlusses:

Für uns in Rheinland-Pfalz ist und bleibt Europa das Größte und erfolgreichste Friedens- und Wohlstandsprojekt unserer Zeit. Die Europäische Union ermöglicht uns allen ein Leben in Freiheit, schützt Menschenrechte, die Umwelt und unsere Lebensgrundlagen, und schafft wirtschaftlichen Wohlstand und politische Partnerschaft über nationale Grenzen hinweg. Das leben wir in Rheinland-Pfalz Tag für Tag. Die Europäische Union sichert nach innen langanhaltenden Frieden und schafft zugleich – im Verbund mit Europas Partnern – Sicherheit nach außen. In einer Welt, in der starke Fliehkräfte wirken, erlaubt uns die Europäische Union, gemeinsam für unsere Interessen einzutreten und die internationale Ordnung mitzugestalten. Die Europäische Idee leben wir im Verbund mit unseren Partnerinnen und Partnern in den europäischen Regionen und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Sie bleibt die Antwort auf die großen Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft. Die europäische Idee ist und bleibt die Antwort auf die großen Aufgaben der Gegenwart und Zukunft.

Europa in der Zeitenwende

Europa hat in den multiplen Krisen der letzten Jahre gezeigt, dass es für uns alle da ist.

Und wir sind für Europa da: Von Mainz aus ging der Impfstoff für Covid19 in die ganze Welt.

In der Umwelt- und Klimakrise, die nicht nur unseren Planeten, sondern vor allem auch unser tägliches Leben bedroht und verändert, haben wir es gemeinsam in der Europäischen Union geschafft, die Klimawende einzuleiten. Wir haben mit dem Green Deal den Weg eingeschlagen, um den Klimawandel soweit wie möglich abzuwenden. Durch den europaweiten Emissionshandel schaffen wir den Umstieg von der CO2-Wirtschaft in eine klimaneutrale Wirtschaft. Durch den Grenzausgleichsmechanismus tragen wir dazu bei, dass europäische Unternehmen in einem fairen Wettbewerb mit der globalen Konkurrenz stehen. Zudem schützen wir Umwelt und Artenvielfalt konkret in der gesamten EU.

Auch in der Corona-Pandemie hat Europa sich bewiesen. Die Pandemie hat viel Leid über Europa gebracht. Sie hat Europa aber auch näher zusammenwachsen lassen. Europa ist zu einer tieferen Wirtschafts- und Finanzunion geworden. Gerade auf Be-treiben der SPD hat Europa gemeinsam Zukunftsprojekte finanziert – fast 700 Milliarden Euro im Rahmen des RRF, wovon fast 60 % in die grüne und digitale Transformation investiert werden. Und wir haben dafür gesorgt, dass das erfolgreiche Modell des Kurzarbeitergeldes europaweit mit europäischer Hilfe Anwendung findet – mit SURE konnten wir verhindern, dass viele Mitgliedstaaten wirtschaftlich abrutschen. So hat die SPD auf europäischer Ebene praktisch einen Gegenentwurf zu den Merkel-Jahren geschaffen: nicht blinde Sparpolitik, sondern gemeinsam finanzierte, gezielte Investitionen in die Zukunftsfestigkeit zum Wohle der Menschen in ganz Europa. Das hat zugleich die europäische Resilienz maßgeblich erhöht.

Nachdem wir die Corona-Pandemie fest überwunden geglaubt haben, löste Putin die nächste globale Krise aus. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Welt nicht nur sicherheitspolitisch und geopolitisch grundliegend verändert. Er ist eine Zeitenwende – für Deutschland wie für Europa. Der russische Angriffskrieg hat die Friedensordnung in Europa untergraben, viele unserer geo- und energiepolitischen An-nahmen hinfällig gemacht sowie die Europäische Union in nie dagewesener Weise wirtschaftlich und militärisch herausgefordert. Auf diese Herausforderungen hat die EU mit umfassender Geschlossenheit reagiert. Sie hat wirtschaftliche und militärische Hilfe für die Ukraine mobilisiert, Millionen fliehenden Ukrainerinnen und Ukrainer Schutz gewährt und Russland mit aller Härte sanktioniert wie auch politisch isoliert. Zugleich hat Europa auf die Folgen des russischen Angriffskrieges reagiert, die das Leben aller Europäerinnen schwerer gemacht haben: hohe Energiekosten und Inflation sind eine große Herausforderung für viele Menschen in Deutschland wie in der EU. Hier haben Europa und die Mitgliedstaaten in enger Abstimmung den Bürgerinnen und Bürgern unter die Arme gegriffen: Energiesicherheit hergestellt, die Wirtschaft am Laufen gehalten und Menschen durch konkrete Hilfen unterstützt.

Antworten auf konkrete Herausforderungen

Europa durchlebt eine Zeitenwende. Nicht nur der russische Angriffskrieg auf die Uk-raine und seine Folgen, sondern auch der nachhaltige und digitale Wandel verlangen von uns neue Antworten in einer neuen Zeit. Nur gemeinsam können wir in Europa die nötigen Maßnahmen ergreifen. Wir müssen dabei insbesondere unsere Resilienz und strategische Autonomie als zentrale Zukunftsfragen entschieden ausbauen.

1. Soziales und Sicherheit

Europa muss den Menschen in Europa Sicherheit geben. Dabei werden wir aus der Zeitenwende gestärkt hervorgehen, wenn wir in Europa solidarisch zusammenhalten und die EU für die großen Zukunftsaufgaben robuster und handlungsfähiger machen. Die Menschen in Europa müssen dabei an erster Stelle stehen. Gute Arbeit, gute Löhne, eine sozial abgefederte ökologische Transformation, aber auch das Wissen, vor äußeren Bedrohungen geschützt zu sein, stehen bei einer sozialdemokratischen Europapolitik im Zentrum. Nur eine soziale EU ist eine EU, die den Menschen Sicherheit gibt und ihre Sorgen, etwa vor einer hohen Inflation und hohen Lebenshaltungskosten, aufnehmen kann – eine neo-liberale EU würde hier scheitern.

2. Energie und Klimawandel

Europa muss seinen Pfad zu einem klimaneutralen Kontinent weiter konsequent gehen. Wir alle spüren, dass der Klimawandel unser Leben schon heute beeinflusst und große Schäden hervorrufen kann. Hier müssen wir lokal und global weiter daran arbeiten, dass die Folgen des Klimawandels möglichst gering bleiben. Eine wesentliche Grundlage dafür, dass die Transformation gelingt, ist eine verlässliche Versorgung mit erneuerbaren Energien. Hierfür müssen wir den europäischen Markt fortentwickeln, Kapazitäten und Transportwege ausbauen, und Abhängigkeiten verringern.

Zugleich muss der Pfad zum klimaneutralen Kontinent sozialverträglich ausgestaltet sein – hierfür setzten wir uns als SPD ein. Wir können auf der einen Seite nachhaltiges Wachstum und zukunftsfeste Arbeitsplätze gewinnen. Auf der anderen Seite müssen wir Lösungen für die Menschen anbieten, deren Arbeitsplätze gefährdet sind und die Anpassungsmaßnahmen – wie die Sanierung von Gebäuden – überfordern würden.

3. Industrie, Lieferketten, Rohstoffe, Forschung und Technologie

Wir befinden uns auch in einer wirtschaftspolitischen Zeitenwende. Wir stehen vor Herausforderungen, die wir so noch nicht kannten. Die USA haben mit den „Bidenomics“ die Wirtschaftsordnung grundsätzlich geändert. Der Inflation Reduktion Act verfolgt eine „buy American“ Strategie und gibt nach aktuellen Schätzungen über eine Billion Dollar aus, um gerade klimafreundliche Industrie anzusiedeln. Hieraus entsteht ein großer Konkurrenzdruck und die Gefahr eines Beihilfen-Wettlaufs. China verfolgt andererseits eine protektionistische, staatskapitalistische Wirtschaftspolitik. Wir stehen in der Gefahr einer einseitigen Abhängigkeit, einerseits als Produktions-standort, andererseits als Absatzmarkt. Hier müssen wir mehr tun: De-Risking, nicht De-Coupeling ist das Ziel – also Risiken minimieren, ohne Verbindungen ganz zu kappen.

Grundansatz und Ziel einer gemeinsamen europäischen Antwort muss sein: Strate-gische Autonomie. Wir müssen bei strategisch wichtigen Technologien unsere Abhängigkeit verringern – Europa muss diversifizieren und gezielt investieren. Wir müssen Lieferketten breit aufstellen und Rohstoffversorgung sichern. Und zugleich müssen wir im europäischen Verbund selbst Kapazitäten schaffen: Durch Forschung, Entwicklung und Produktion. Dies gilt gerade für die Bereiche Chips, KI, grüne Technologie, militärische Fähigkeiten. Hier kommt dem deutschen Wirtschaftsmodell be-sondere Bedeutung zu. Gerade die Agilität der KMU, der Innovationsgeist und die langfristige Investitionsstrategie nach rheinland-pfälzischem Vorbild können die Basis dafür sein, dass wir global mithalten und vorne mitspielen.

Um diese strategische Autonomie zu erreichen, setzt Europa vielfältige Mittel ein: zum Beispiel konkrete Investitionsanstöße – sehr breit durch den RRF, aber auch sehr spezifisch, etwa durch den Chips Act. Europa sichert Lieferketten und Rohstoff-zugang – etwa durch den Critical Raw Materials Act. Europa setzt globale Standards – etwa beim Schutz der Umwelt, der Menschenrechte oder beim Einsatz neuer Technologien wie Künstlicher Intelligenz. Europa schafft aber auch Sicherheit für die Menschen in Europa – etwa durch einen europäischen Mindestlohn und gute Arbeits-bedingungen für Plattformarbeiterinnen und Plattformarbeiter, aber auch durch eine gerechte Wirtschaftsordnung, in der Frauen gleichberechtigt teilhaben.

Zugleich müssen wir sehen, wo wir Innovation und Investition erleichtern können. Die Digitalisierung der Verwaltung wird besser und muss besser werden. Verfahren müssen beschleunigt werden, gerade bei Projekten, die für die Infrastruktur und die Energiewende relevant sind. Forschung und Entwicklung in Europa müssen wir stärken. Schlüsselindustrien, wie die chemische und die Pharmaindustrie – die gerade in Rheinland-Pfalz so viel Wohlstand gebracht hat – unterstützen wir beim nachhaltigen Wandel.

4. Landwirtschaft und Tourismus

Der Schutz von Umwelt und Natur muss für uns mit einer nachhaltigen Landwirtschaft Hand in Hand gehen. Auf Initiative der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wird ab 2023 zum ersten Mal in der Geschichte der europäischen Agrarpolitik neben dem Schutz von Klima und Umwelt auch der Schutz der Menschen in den Fokus gerückt. Die Einhaltung von sozialen Mindeststandards wird zur Bedingung für den Erhalt von europäischen Geldern. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass die europäische Landwirtschaftspolitik nicht allem voran große Betriebe subventioniert, sondern gerade Landwirtinnen und Landwirte für den Klima-, Umwelt- oder Gewässerschutz wie für die Einhaltung sozialer Standards belohnt. Zugleich müssen wir darauf achten, dass Vorgaben für nachhaltige Landwirtschaft – wie etwa für den Weinbau – nicht unrealistische Anforderungen an die Produzentinnen und Produzenten stellen.

Das Zusammenleben in Europa erleben viele vor allem, wenn sie im Urlaub in andere Länder Europas reisen. Zugleich hat gerade die Tourismuswirtschaft, inklusive des Hotel- und Gaststättenwesens, wie auch die Kulturwirtschaft besonders unter Corona gelitten – trotz der umfassenden Hilfen, die wir hier durchgesetzt haben. Die Auswirkungen von Corona, aber auch des Klimawandels verändern den Tourismus. Wir unterstützen den Tourismussektor dabei, sich nachhaltig aufzustellen und neue An-gebote für die Zukunft anzubieten.

5. Migration

Eine der großen Chancen, aber auch Herausforderungen, vor denen wir in Europa stehen, ist die Migration von Menschen, die in Europa Schutz und Chancen suchen.

Wir haben innerhalb Europas offene Grenzen – eine zentrale Errungenschaft der europäischen Einigung und eine wesentliche Säule unseres gemeinsamen Wirtschaftsraums. Welche schwerwiegenden Folgen eine deren vorübergehende Schließung haben kann, hat uns gerade in unserer Heimat – wo offene Grenzen mit unseren Nachbarn Frankreich, Luxemburg und Belgien Teil unserer Identität sind – die Covid Pandemie gezeigt.

Mit offenen Grenzen für Waren gehen offene Grenzen für Menschen einher. Wir können mithin Migration nicht in Deutschland alleine regeln, sondern sind darauf an-gewiesen, innerhalb der Europäischen Union eine gemeinsame Lösung zu finden. Da das 1999 beschlossene gemeinsame europäische Asylsystem (GEAS) viele Schwachstellen aufweist, beraten wir derzeit über eine Reform. Ziel ist es, Mindest-standards für Asylverfahren und den Umgang mit Asylsuchenden zu definieren und so europaweit einheitlichen Schutz zu schaffen. Wenn klar ist, wer bleiben kann und wer nicht, müssen diese Entscheidungen auch vollzogen werden. So steigt bei an-deren Mitgliedsstaaten die Bereitschaft, wieder Geflüchtete aufzunehmen.

Neben einem geregelteren Verfahren für Asylsuchende wollen wir die Migrations-möglichkeiten zum Zwecke der Arbeitsaufnahme verbessern. Wir haben auch in Rheinland-Pfalz einen Arbeitskräftemangel, der sich durch den demografischen Wandel in den kommenden Jahren noch verstärken wird. Wir unterstützen die der-zeit laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Modernisierung der Vorschriften zur Blue Card, die Vereinfachung der kombinierten Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit geringen bis mittleren Qualifikationen sowie die Herabsetzung der Aufenthaltsdauer bis zum Erhalt einer langfristigen Aufenthaltsberechtigung. Zudem fordern wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten EU-Regeln zur Anerkennung der Qualifikation von Arbeitsmigrantinnen und Arbeits-migranten.

6. Menschenrechte, Gleichberechtigung

Die EU ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sie ist vor allem auch eine Werte-gemeinschaft. Die Wahrung der Menschenrechte, die Gleichberechtigung der Ge-schlechter, die Nichtdiskriminierung von Menschen, insbesondere aufgrund von Be-hinderung, Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung sind für uns zentrale, unverhandelbare Werte. So muss sich die EU weiter für den Schutz gerade von LGBTI-Personen eintreten – etwa gegenüber Mitgliedstaaten, die deren Rechte nicht wahren.

Bei der Gleichberechtigung der Geschlechter hat die EU in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Mit der Richtlinie zu Frauen in Führungspositionen sowie der Richtlinie Lohntransparenz haben wir zentrale Gleichberechtigungsanliegen durchgesetzt. Beides war nur möglich, weil die aktuelle Bundesregierung die jahrelange Blockadehaltung der CDU/CSU überwunden hat. Zudem hat die EU mit dem Beitritt zur Istanbul Konvention den Grundstein dafür gelegt, Frauen in allen Mitglied-staaten vor Gewalt zu schützen.

Wir wollen weitere, noch in Arbeit befindliche Vorhaben ebenso erfolgreich abschließen. Die Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt muss einen starken Schutz von Frauen schaffen, der gerade auch Vergewaltigungen umfasst. In Zukunft wollen wir sicherstellen, dass alle Menschen gegen sexistische Hassrede überall in der EU besser geschützt sind. Zudem muss das Recht auf sichere Abtreibungen in der EU Grundrechte Charta verankert werden. Schließlich setzen wir uns für die Frauenrechte Charta ein.

7. Ukraine, Frieden, globale EU

Europa war und ist ein Friedensprojekt – die EU sichert den Frieden in Europa und setzt sich zugleich global für Diplomatie, die Lösung von Konflikten sowie eine nach-haltige Entwicklung ein. Zugleich hat uns der russische Angriffskrieg auf die Ukraine schmerzlich gezeigt, dass wir mehr tun müssen, um den Frieden zu sichern und das Leben von Menschen sowie die Integrität und Souveränität anderer Staaten zu schützen. Spätestens jetzt wird uns Europäerinnen und Europäern deutlich, dass es Zeit ist, unsere eigene Rolle in der Welt neu zu definieren und mehr Verantwortung dafür zu übernehmen,

Europa muss seine Rolle als geopolitischer Akteur annehmen, Partnerschaften gera-de mit dem globalen Süden stärken und mehr in die eigene Sicherheit investieren. Erster Schritt dazu ist die bessere Abstimmung in der Verteidigungspolitik, eine Einigung auf Waffensysteme und die gemeinsame Beschaffung. Zugleich müssen wir um Partner in der ganzen Welt werben – zentral hierfür sind für uns Südamerika, wo das Mercosur-Abkommen dringend abgeschlossen werden muss, und Süd-Ost-Asien, wo wir unsere Partner gegenüber einem expansiven China stärken müssen.

8. Rechtsstaatlichkeit

Europa muss auch in seinen Werten resilient sein. Unser demokratisches, rechts-staatliches und auf Menschenrechten basierende System ist unser Wertefundament. Gleichzeitig ist es ein Garant für unseren Erfolg. Wo diese Werte gefährdet sind, gehen Gerechtigkeit und Sicherheit verloren – für die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für die Wirtschaft. Investitionssicherheit und ein rechtsstaatlicher Umgang mit Unternehmen sind zentral, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Demokratische und rechtsstaatliche Resilienz in der EU ist die Grundlage für alles Weitere. Hier können und müssen wir noch mehr tun. Die EU muss die Mittel zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit noch konsequenter anwenden. Zugleich braucht sie ein allgemeines Konditionalitätsinstrument: Wer den Rechtsstaat verletzt, dem müssen europäische Gelder gekürzt werden können. Auch der Entzug sonstiger Rechte muss leichter möglich sein.

9. Erweiterung und Reformen

Europa ist ein Erfolgsprojekt – es strahlt weit über seine Grenzen hinaus. Frieden, Freiheit und Wohlstand sind Versprechen, die auch Menschen in unserer Nachbarschaft für sich erringen wollen. Wir unterstützen sie deshalb auf ihrem Weg in die Europäische Union. Der Platz der Beitrittskandidaten ist in unserer Mitte – wobei sie es selbst in der Hand haben, die Schritte auf dem Weg zur Mitgliedschaft zu gehen.

Mit einer Erweiterung muss eine Reform und Vertiefung verbunden sein, um handlungsfähig zu bleiben und für zukünftige Herausforderungen gewappnet zu sein. Deshalb unterstützen wir einen Reformprozess, der die bestehenden Möglichkeiten zu mehr Integration ausschöpft – etwa die Abschaffung der Einstimmigkeit in den Bereichen Außenpolitik und Steuern.

Die EU-Wahl 2024 als Richtungswahl

Die EU hat viel erreicht – noch mehr gibt es zu tun. Zugleich erstarken überall in Europa die Kräfte, die die EU und ihre Werte untergraben und schwächen wollen. Sie verfolgen dabei allzu oft eine Agenda, die den Menschen, die sie wählen, am Ende schadet. Rechtspopulisten und Rechtsextremisten haben keine Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit. Ihnen Einhalt zu gebieten ist die wohl größte Auf-gabe vor der wir stehen. Hier stehen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf einem festen, in der Geschichte bewiesenen Wertefundament.

Von den anderen demokratischen Parteien erwarten wir ebenfalls eine klare Positionierung. Gerade die konservativen Parteien in Europa arbeiten jedoch daran, den Rechtspopulisten und Rechtsextremisten die Tür zu öffnen – in Finnland, Italien, Schweden arbeiten sie bereits zusammen, im Europäischen Parlament bereiten sie dies vor. Das ist eine große Gefahr für unser demokratisches und freiheitliches Europa.

De EU-Wahl 2024 ist eine Richtungswahl – sie entscheidet darüber, ob wir die Errungenschaften der letzten Jahre bewahren und fortführen können, oder ob Rechtspopulisten und Rechtsextremisten im Europäischen Parlament die Macht übernehmen. Das dürfen und werden wir nicht zulassen. Europa ist und bleibt – gerade angesichts der Zeitenwende – unsere Zukunft.

Beschluss-PDF: