2024/A/7 Für eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung

Status:
Nicht Abgestimmt

Die Industrie und das Handwerk stehen vor einem massiven Umbruch. Rasante Transformationsprozesse bestimmen derzeit die Arbeitswelt. Die zunehmende Digitalisierung, der ökologische Umbau und damit der Strukturwandel in den unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen und Regionen, verändern die Anforderungen an Beschäftigte und Unternehmen. Eine Erfolgreiche Fachkräftegewinnung und -sicherung ist für die Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen zur Sicherung des Wohlstandes und der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft in den kommenden Jahrzehnten entscheidend. Der technologische Wandel, die Digitalisierung der Arbeitswelt und Verwaltung, der Weg zu Klimaneutralität bis 2045 lassen sich ebenso wenig wie die dauerhafte Bereitstellung hochwertiger Gesundheits-, Pflege- und Inklusionsleistungen ohne geeignete Fachkräfte realisieren. Durch Fachkräftezuwanderung aus anderen Ländern allein wird sich die Fachkräftenachfrage nicht decken lassen. Um die vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Zukunftsaufgaben bewältigen zu können, ist es auch erforderlich, noch nicht ausgeschöpfte Fachkräftepotenziale in allen Bereichen im Zusammenwirken von Sozialpartnern, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft zu erschließen.

Wir brauchen Strategien, um transformationsbedingte Veränderungen im Interesse von Beschäftigten und Unternehmen möglichst verwerfungsfrei und zukunftsorientiert zu gestalten. Insbesondere ist es wichtig, die sich durch technologische Fortschritte und innovative Arbeitsgestaltung ergebenden Möglichkeiten zu nutzen, um Fachkräftebedarfe und Fachkräftepotentiale möglichst gut in Einklang zu bringen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Frage des Kompetenz- und Qualifikationserwerbs bei sich laufend verändernden Anforderungen. Dabei ist eine massive Verschiebung der Qualifikations-anforderungen zu gestalten. Gleichzeitig ist der Druck durch die aktuellen Krisen noch einmal deutlich gestiegen.

Die Bundesregierung investiert Milliarden im Bereich Klimaschutz und Energiewende, aber alle Anstrengungen werden stocken, wenn nicht zeitnah ausreichend gut ausgebildete Beschäftigte bspw. Windparks bauen und warten, Wärmepumpen oder Ladesäulen installieren, emissionsarme Fahrzeuge herstellen etc. Es besteht die Gefahr einer Deindustralisierung, wenn die ökologische und digitale Transformation nicht durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik begleitet wird.

Unsere wesentlichen Forderungen:

 

• Es müssen kurzfristig massive finanzielle Mittel für eine Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung eingestellt werden, um mit passgenauen Instrumenten akuten arbeitsmarktpolitischen Problemen zu begegnen. Ziel muss es sein, die Weiterbildungsbereitschaft der Arbeitgeber und der Beschäftigten zu erhöhen und dadurch Arbeitsplätze insbesondere in der Industrie zu sichern. Sozialpartner-schaftliche Initiativen wie Zukunftstarifverträge müssen gestärkt werden.

 

• Wir wissen, dass die Beschäftigten neben den Recht für Aus- und Weiterbildung auch Zeit haben müssen und eine lebensstandsichernde Absicherung während der Qualifizierungsmaßnahme gewährleistet sein muss. Weiterbildung muss ein fester Bestandteil des betrieblichen Alltags werden.

 

• Wir wollen, dass neben partiellen Weiterbildungen und Umschulungen, Beschäftigte während ihres gesamten Erwerbslebens die Möglichkeit haben müssen, sich beruflich neu bzw. umzuorientieren. In vielen Bereichen könnten Arbeits- und Fachkräfte durch eine „zweite Ausbildung“ die Qualifikation erhalten, die im Zusammenhang mit der Energiewende oder Digitalisierung bereits jetzt und zukünftig benötigt werden.

 

• Neben zielgenauer Beratungsangebote sind aktivierende und unterstützende Begleitstrukturen in den Betrieben zu etablieren.

 

• Gute Weiterbildung basiert auf einer soliden Ausbildung. Immer mehr junge Menschen gehen leer aus. Nur noch jedes fünfte Unternehmen bildet aus. Wir brauchen eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen. Und wenn die Arbeitgeber ihrer Verantwortung nicht freiwillig nachkommen, dann wird es höchste Zeit für eine Ausbildungsumlage. Damit werden die Unternehmen, die ausbilden, gefördert und die Betriebe, die sich zurücklehnen, müssen zahlen.

 

• Bei Qualifizierungsgeld sollte der Grundsatz leitend sein, dass das Qualifizierungsgeld im Vergleich zu anderen Instrumenten mindestens ebenbürtig ist. Es ist angemessen, dass Betriebe, die den aufwendigeren Weg des Qualifizierungsgeldes gehen, Fördermöglichkeiten erhalten, die über die des § 82 SGB III (neu) hinausgehen:

– Die Förderung sollte um eine Variante ergänzt werden: Bisher ist vorgesehen, dass bei einer Weiterbildung im Rahmen des Qualifizierungsgeldes der Träger, nicht aber die Maßnahme zugelassen bzw. zertifiziert sein muss. Dafür müssen die Lehrgangskosten vollständig vom Arbeitgeber getragen werden. Damit würde ein Rahmen geschaffen, gerade auch hochwertige Weiterbildungsmaßnahmen unbürokratisch und zügig durchführen zu können.

– Angesichts der vielschichtigen Gemengelage sowohl hinsichtlich der Qualifizierungserfordernisse als auch der Ressourcenlage in den Betrieben, sollte auch beim Qualifizierungsgeld ergänzend eine Variante vorgesehen werden, bei der Weiterbildungskosten gefördert werden. Dies ist insbesondere erforderlich, wenn auch erreicht werden soll länger dauernde, transformationsrelevante und damit auch kostenintensivere Weiterbildungen bis hin zu Umschulungen (z.B. IT-System-Elektroniker*in) im Rahmen des Qualifizierungsgeldes zu realisieren.

 

• Wie auch bei der Fort- und Weiterbildungsförderung gem. § 82 SGB III sollte auch beim Qualifizierungsgeld eine Förderung der Weiterbildungskosten (entsprechend der Staffelung im § 82 SGB III neu) ermöglicht werden, wenn sowohl Träger als auch Maßnahme zugelassen bzw. zertifiziert sind.

 

• Die Wartezeit beim Qualifizierungsgeld sollte analog zur Förderung nach § 82 SGB III (neu) ausgestaltet werden. Eine Verkürzung von vier auf zwei Jahre ist mit Blick auf die genannten Herausforderungen auch beim Qualifizierungsgeld angemessen.

 

• Das Qualifizierungsgeld sollte wie das Kurzarbeitergeld als Anspruchsleistung und nicht wie vorgesehen als Ermessensleistung konzipiert sein.

 

• an der gesetzlichen Regelung zum Mindestumfang einer Maßnahme im § 82 SGB III (neu) muss festgehalten und diese Regelung analog im vorgesehenen Qualifizierungsgeld verankert werden.

 

• der Maßnahmenausschluss nach § 22 Abs. 1a SGB III muss aufgehoben werden, denn der generelle Ausschluss von Fortbildungen die nach dem Aufstiegsfortbildungs-förderungsgesetz (AFBG) förderfähig sind, beschränkt unnötig das Handlungsfeld für Qualifizierungen im Kontext der Transformationsanforderungen.

 

• Einführung einer Bildungs(teil)zeit

 

• Rechtsanspruch auf Zeit für Weiterbildung und für Weiterbildung
Durch den Wandel der Arbeitswelt verändern sich Berufsbilder und Qualifikationsprofile massiv. Weiterbildung ist zentral für Beschäftigungssicherung. Sie darf sich gerade deshalb nicht mehr auf Spezialisten und Führungskräfte beschränken. Alle Beschäftigtengruppen müssen die Chance bekommen, sich zu qualifizieren

 

• Rechtsanspruch für Beschäftigte ohne Ausbildung auf Nachholen eines Berufsabschlusses.

 

• staatlich geförderte Bildungszeiten und Bildungsteilzeiten sollten eingeführt werden, um Umschulungen und Zusatzqualifizierungen attraktiver zu machen

 

• den Ausbau der frühkindlichen Ganztagsbetreuung und einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz

 

• bereits in der Sekundarstufe 1 in den Unterricht integrierte Informationen über berufliche Möglichkeiten in der dualen und universitären Ausbildung, die die Rollenstereotypen überwinden, auf die Ausbildung vorbereiten und die Zahl der Ausbildungsabbrüche zu reduzieren.

 

• eine geschlechtsneutrale Berufsberatung durch die Bundesagentur für Arbeit

 

• weitere geeignete Maßnahmen für mehr Frauen in MINT-Berufen und mehr Männer in den sozialen Berufen

 

• die Schulgeld-, Lernmittel- und Studiengebührenfreiheit bis zum Abschluss der Ausbildung für alle gesetzlich geregelten Ausbildungsgänge, sowie die Meisterausbildung.

 

• eine Ausbildungsplatzumlage zur Sicherstellung eines auswahlfähigen und bedarfsgerechten Angebotes an Ausbildungsplätzen und eine Ausbildungsgarantie

 

• die Reform des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) mit

 

• der Überführung der verschulten Ausbildungen in die duale Ausbildung oder in ein duales Studium

 

• Fahrkostenübernahme, Qualitätssicherung und Übernahmeregelung

 

• der Einführung einheitlicher Rahmenbedingungen für das Duale Studium

 

• dem Ausbau in ein Weiterbildungssystem mit Qualitätssicherung und Zertifizierung, Freistellungs- und Rechtsansprüchen und Finanzierungsmechanismen. Das reformierte und ausgebaute BBiG muss auch die Rechte von Aus- und Weiterbildungsangeboten für alle Beschäftigten sichern. Insbesondere für Ältere, Teilzeitbeschäftige oder Beschäftigte mit familiären Verpflichtungen während Erziehungs- und Pflegezeiten. Dazu gehört im Bedarfsfall auch ein Kinderbetreuungsangebot.

 

• der Ausweitung der Weiter- und Fortbildung, die unternehmensunabhängig genutzt werden kann. Dabei wollen wir einheitliche Qualitätsstandards, die das heterogene Umfeld der Weiterbildungssysteme transparenter und qualitätsbezogener macht.

 

• Bundeseinheitliche Regelungen der Weiterbildung

 

• Das Recht auf berufliche Fortbildung muss gesetzlich verankert und ein öffentliches Weiterbildungs- und Beratungssystem im Verbund von Berufsschulen, Hochschulen und BA muss ausgebaut werden.

 

• Zudem brauchen wir einen Anspruch auf Aufstiegs-Bafög auch für eine zweite Ausbildung.

 

• Insgesamt brauchen wir eine bessere finanzielle Unterstützung für Berufswechsler/innen („zweite Chance“), Geringqualifizierte oder Ausgebildete mit Studienwunsch: Die Befreiung der Aufstockungsbeträge von der Sozialversicherung in der Bildungsteilzeit steht noch aus!

 

• Eine Demokratisierung der Hochschulgremien verlangt auch, dass die Tarifpartner bei der Gestaltung der Lernziele und -inhalte von Hochschulen Einfluss nehmen können. Denn: Die Hälfte aller Berufstätigen kommt mittlerweile aus der Hochschule in unsere Betriebe.

 

• Auch bei der betrieblichen Fortbildung brauchen wir mehr Mitbestimmung: ein Initiativrecht des Betriebsrats zur Durchsetzung von Qualifizierungsmaßnahmen und die Verankerung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats über Lernangebote und deren Integration in die Arbeitsorganisation.

 

• die Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung, die Veränderungen der Arbeitswelt für ArbeitnehmerInnen bewältigbar macht und auch zweite, und weitere Chancen ermöglicht.

 

• die Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auch im Hochschulbereich

 

Empfänger:innen: SPD-Landesparteitag Rheinland-Pfalz, SPD-Landtagsfraktionen, SPD-Parteivorstand, SPD-Bundesparteitag, SPD-Bundestagsfraktion, SPD-Mitglieder der Bundesregierung

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: Bundesparteitag, Bundestagsfraktion, Landtagsfraktion, Parteivorstand