In der Gedenk- und Erinnerungskultur des Landes Rheinland-Pfalz (auf Landes- wie kommunaler Ebene) müssen die Vertretungen der verschiedenen Verfolgtenorganisationen (der Jüd*innen, der politisch Verfolgten, der Sinti und Roma, der queeren Meschen, der sog Euthanasieopfer und weiterer) strukturell vertreten sein. Das gilt für die Einrichtungen und Gedenkstätten des Landes und der Kommunen, wie auch für Veranstaltungen, die an die Verbrechen der NS-Diktatur und deren Fortsetzung in der Nachkriegszeit erinnern.
Die Erinnerungs- und Gedenkkultur in Rheinland-Pfalz nimmt einen festen Platz in der politischen Landschaft von Rheinland-Pfalz ein. Vor allem die Aktivitäten des Landtags zum 27.Januar und bei weiteren Gelegenheiten bezeugen die Bedeutung, die die Erinnerungskultur in RLP hat. Mit Osthofen und Hinzert gibt es zwei offizielle Gedenkstätten und Dokumentationszentren des Landes RLP; auch auf kommunaler Ebene gibt es Gedenkstätten wie in Mainz und Neustadt und weiteren Orten.
Aufgrund der demografischen Entwicklung findet seit einigen Jahren eine Neuorientierung der Gedenk- und Erinnerungskultur statt. In diesem Zusammenhang verbreitet sich das Narrativ: „die Zeitzeug*innen sterben aus“. Ohne die substantiellen Unterschiede der NS-Diktatur und der bundesrepublikanischen Demokratie zu leugnen, verkennt dieses Narrativ, dass es eine Kontinuität der Verfolgung z.B. für Sinti und Roma, für queere Menschen und für viele von der „NS-Volksgemeinschaft“ ausgeschlossenen Gruppen gab und bis heute gibt. Allein ihre „Aufnahme“ in die „offizielle“ Gedenk- und Erinnerungskultur begann erst in den 1980er Jahren durch massiven öffentlichen Protest der Verfolgtenorganisationen der genannten Gruppen und Verbände und ist auch heute immer noch nicht durchgängig vorhanden.
Die Verbrechen an den europäischen Jüd*innen sind zwar fester Bestandteil der Gedenk- und Erinnerungskultur des Landes, aber die fortdauernde Ausgrenzung von Jüd*innen und der mittlerweile wieder offene Antisemitismus zeigen, dass auch hier noch viel zu tun ist.
Gleichzeitig neben der Gefahr der „Schlussstrichmentalität“, die mit dem o.a. Narrativ auch verbunden sein kann, beobachten wir, dass die Verfolgtenverbände und Initiativen in der Gedenk- und Erinnerungskultur in Rheinland-Pfalz strukturell ausgeschlossen sind und einer „Verwissenschaftlichung“ an ihre Stelle getreten ist.
So unbestritten wichtig und nötig die weitere wissenschaftliche Aufarbeitung und ihre Erkenntnisse sind, so klar ist auch , dass diese niemals die Stimme der Verfolgtenorganisationen ersetzen kann.
Das genau aber beobachten wir in der „offiziellen“ Gedenk- und Erinnerungskultur des Landes. Es geht dabei um den strukturellen Ausschluss. Die Expertise der in der NS-Diktatur Verfolgten und in der Bundesrepublik erst nach jahrelangem Kampf anerkannten Verfolgten haben nur diese selbst. Nur sie selbst können für sich sprechen.
Wenn immer wieder von einem „Nie wieder!“ gesprochen wird und zugleich der o.a. strukturelle Ausschluss geschieht, stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses. Das Versprechen „Nie wieder!“ ist zugleich Teil der Wiedergutmachung erlittenen Unrechts, wird es nicht eingelöst, droht eine Wiederholung.
Rechtspopulistische und Rechtsextreme sehen die enge Verknüpfung einer lebendigen Gedenk- und Erinnerungskultur mit der demokratischen Entwicklung. Deswegen sprechen sie von einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ oder auch vom „Vogelschiss der Geschichte“.
Der Stimme der Verfolgtenorganisationen in ihrer Vielfalt muss daher strukturell einen Platz an allen Orten der Erinnerungs- und Gedenkkultur des Landes haben.
Zeile 8 bitte nach „rer)“ ergänzen:
stärker berücksichtigt werden und strukturell vertreten sein.
Begründung Zeilen 56-63:
Gleichzeitig neben der Gefahr der „Schlussstrichmentalität“, die mit dem o.a. Narrativ auch verbunden sein kann, beobachten wir, dass die Verfolgtenverbände und Initiativen in der Gedenk- und Erinnerungskultur in Rheinland-Pfalz stärker beteiligt werden könnten.
Wissenschaftliche Aufarbeitung ist für Gedenk- und Erinnerungsarbeit essentiell. Es wäre allerdings wünschenswert, wenn auch die Verfolgtenverbände und Initiativen in der Gedenk- und Erinnerungskultur in Rheinland-Pfalz noch stärker und auch strukturell beteiligt werden.