2024/A/3 Mehr als nur ein Obstkorb - New Work

Status:
Nicht Abgestimmt

Die Arbeitswelt hat sich schon immer gewandelt und tut es in Zeiten von Digitalisierung, Transformation und demografischem Wandel umso schneller. Zeit also, sich mit der Zukunft der Arbeit zu beschäftigen – und diese jungsozialistisch zu gestalten.

 

-Status Quo – Ausbeutung und kapitalistischer Zwang-

In einem kapitalistischen Gesellschafts- und Wirtschaftssystem sind die Arbeiter*innen gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.

Für die Unternehmen, Betriebe und Konzerne – in Marx’ Worten: “Die Kapitalisten” ist diese Arbeitskraft eine Ware. Diese Ware muss dabei den Wert haben, der nötig ist, um den Mehrwert des Kapitalisten zu steigern – sprich: Wenn die angebotene Arbeitskraft nicht der Profitsteigerung dient, weil zum Beispiel der durch die Arbeitskraft erwirtschaftete Ertrag niedriger ist, als die Kosten (also der Lohn und die Lohnnebenkosten) lohnt sie sich für den Kapitalisten schlichtweg nicht. Wenn jedoch durch den*die Arbeiter*in ein Mehrwert generiert wird, so streicht diesen Mehrwert ausschließlich der Kapitalist ein. Es ist ein Tausch, Lohn gegen Arbeitskraft inklusive des durch sie erwirtschafteten Mehrwerts.Zwar können durch politische Erfolge, durch arbeitnehmer*innenfreundliche Politik, und insbesondere auch durch gut ausgehandelte Tarifverträge durch die Gewerkschaften hier wichtige und spürbare Verbesserungen und Bedingungen für die Arbeiter*innen geschaffen werden. Doch das Ungleichgewicht zwischen Arbeiter*innen und Unternehmen, also “den Kapitalisten“, kann dadurch nicht ausgemerzt werden.

Klingt alles nach einem Ausflug in die Geschichte, doch auch heute müssen Menschen ihre Arbeitskraft verkaufen: Um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und um Grundbedürfnisse zu befriedigen. Sie begeben sich also in eine extreme Abhängigkeit zu ihren Arbeitgeber*innen. In unserer Gesellschaft ist der Stellenwert der Arbeit extrem hoch – Der Wert der Menschen bemisst sich am Wert und der Art ihrer Arbeit. Welche Branche, wie hoch der Verdienst, welche Qualifikationen man sich aneignen musste – alles zentrale Fragestellungen. Viel zu selten wird gefragt, ob diese Arbeit den*die Arbeiter*in denn auch glücklich macht, oder (nicht monetär) bereichert. Arbeit ist in unserer Gesellschaft so zentral, dass selbstverständlich erwartet wird, dass junge Menschen nach der Schul-, Berufs- oder Universitätsausbildung ein solches Abhängigkeitsverhältnis eingehen – und zwar gleich für die nächsten 40 (oder sind wir mal ehrlich: wir können alle nicht so genau sagen wie lange wir arbeiten werden müssen) Jahre. Für die Hälfte des eigenen Lebens also arbeitet man für den Profit der*des Arbeitgeber*in. Zwar ist gedacht, dass man sich mit dem im Tausch für die eigene Arbeitskraft erhaltenen Lohns ein schönes Leben macht, doch dafür ist erst bei Feierabend Zeit, und viel zu oft auch nur an Wochenenden oder im Urlaub. Und nach Jahrzehnten der Erwerbsarbeit freuen sich doch die meisten auf ihren Ruhestand, in dem sie sich auch abseits ihres Feierabends entfalten können – sicher nur, weil die von ihnen die letzten 40 Jahre verrichtete Arbeit sie so bereichert hat.

Aber Arbeit muss mehr sein, als ein ungerechter Tausch. Dafür müssen wir Arbeit neu denken. Wir müssen den Zweck der Arbeit zentral umkehren: Nicht der Mensch muss der Arbeit dienen, sondern die Arbeit muss dem Menschen dienen. Kreativität, Freiraum und eigene Entfaltung müssen in der Arbeit einen höheren Stellenwert haben, als die simple Erfüllung einer Aufgabe, die zur Profitsteigerung der Kapitalist*innen dient. Der Philosoph und Begründer der “New Work”-Theorie, Frithjof Bergmann, beschrieb das
mit den einfachen Worten: “Arbeit, die man wirklich will!”. Damit wird deutlich, dass es ein viel zu weit verbreiteter Irrglaube ist, dass dies mit Obstkörben, Tischkickern, Desk-Sharing oder dergleichen gemeint oder gar erreicht sei. Ziel der Neuen Arbeit, der New Work, ist eine ernsthaft gewählte und wirklich gewollte Arbeit, die ein modernes, selbstbestimmtes, friedliches und erfülltes Leben ermöglicht.

 

Wie soll das gehen?!

Für Frithjof Bergmann wird die bisherige Erwerbsarbeitszeit aufgeteilt, wobei zwei Drittel der klassischen Erwerbstätigkeit ersetzt werden sollen durch: Ein Drittel, das aus Arbeit besteht, nach der man wirklich strebt und ein Drittel, das eine Kombination aus intelligentem Verbrauch und technisch hochstehender Selbstversorgung ist.

 

Bergmann stellte dafür ein 3-Säulen-Modell der “Neuen Arbeit” auf:

1. Lohnarbeit

2. Calling

3. Eigenarbeit

 

Lohnarbeit

In Deutschland sind rund 45 Millionen Menschen erwerbstätig. Immer mehr verändern sich die Arbeitsmodelle, mobiles Arbeiten ist auf dem Vormarsch und der Wunsch nach Arbeitszeitverkürzungen wächst. Dennoch ist eine Anstellung für die meisten Menschen nach wie vor attraktiv und bietet beim Navigieren in der Unsicherheit unserer Zeit für viele Menschen Orientierung. Zukünftig soll Arbeit jedoch den Willen, den Sinn, die Selbstständigkeit und Kreativität der Arbeiter*innen in den Mittelpunkt stellen. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich in der Arbeit selbst zu entwickeln.

Die Digitalisierung und Flexibilisierung muss dabei stets im Sinne der Beschäftigten und nicht zur reinen Profitoptimierung der Unternehmen umgesetzt werden. New Work muss Arbeitsbedingungen verbessern. Wir brauchen überall mobiles Arbeiten statt Telearbeit. Das Recht auf mobiles Arbeiten muss ebenso bestehen, wie das Recht, vor Ort arbeiten zu wollen in einem eigenen Büro.

Solange wir die kapitalistische Gesellschaft & Wirtschaft nicht überwunden haben, ist es für uns Jungsozialist*innen zentral, die Abhängigkeit der Beschäftigten und das Ungleichgewicht in der Beziehung Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in so gut es geht aufzuheben. Gemeinsam mit den Gewerkschaften können wir gestaltend auf die Zukunft der Arbeit einwirken. Die Arbeitsbedingungen und die Arbeitszeitgestaltung müssen noch stärker an den Interessen der Arbeitnehmer*innen ausgerichtet sein. Dies ist zum Beispiel durch eine Reduktion der Wochenarbeitszeit, beispielsweise im Modell der 4-Tage Woche oder durch andere, in Tarifverträgen verhandelte Modelle möglich. Ebenso Teil davon muss ein gleichberechtigter Zugang von FINTA zum Arbeitsmarkt, durch die Schaffung und Gewährleistung ausreichender Betreuungsmöglichkeit und durch die gleichberechtigte Verteilung von unbezahlter Care-Arbeit sein. Mitbestimmung und transparente, inklusive Entscheidungsprozesse innerhalb der Betriebe können das Gefühl von Selbstwirksamkeit erzeugen. Zudem ist nachgewiesen, dass Menschen, die in Betrieben mit hoher Mitbestimmung beschäftigt sind, weniger gefährdet sind, rechtspopulistischen Narrativen anheimzufallen. Die Stärkung der Gewerkschaften, die Erhöhung des gewerkschaftlichen Organisationsgrades und die Stärkung der Tarifbindung sind daher zwingend geboten.
Auch Minijobs sind eine Beschäftigungsform, die viel Freiheit verspricht, aber mehrere Haken mit sich bringt. Die Sonderstellung in der Sozialversicherung führt dazu, dass keine Ansprüche in die Arbeitslosenversicherung entstehen und, wenn überhaupt, nur sehr geringe Rentenansprüche erworben werden. Sie werden gerne als “Brücke” in die Vollzeitbeschäftigung betitelt, doch das Gegenteil ist der Fall. Minijobs reduzieren zudem den Umfang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung – besonders häufig in kleinen und mittleren Unternehmen ersetzt ein Minijob eine halbe sozialversicherungspflichtige Stelle – so spart der Arbeitgeber Lohnnebenkosten.

In der Zukunft der Arbeit darf Ausbeutung keinen Platz haben. Menschen, die abhängig beschäftigt sind und ihre Arbeitskraft gegen einen Lohn tauschen, müssen davon leben können – nicht nur überleben. Aktuell sind wir in Deutschland davon jedoch weit entfernt. Alleine ca. 800.000 Menschen sind erwerbstätig und sind dennoch auf staatliche Unterstützung angewiesen, da ihr Lohn nicht ausreicht, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Die staatliche Unterstützung ist im Sinne des Sozialstaats und auch aus Gründen der Solidarität richtig, um Not zu lindern, aus sozialistischer Sicht muss aber klar benannt werden, dass sie eine staatliche Subventionierung des Niedriglohnsektors und letztendlich des Kapitals bedeutet.

 

Wir fordern daher:

 

• Eine generelle Reform der Beschäftigungsform “Minijobs” -keine Arbeit ohne Sozialversicherung!

 

• Eine Stärkung der innerbetrieblichen Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer*innen

 

• Um allen einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen, muss ein solidarisch aufgebautes und solidarisch finanziertes, flächendeckendes Netz an qualitativ hochwertiger Care-Dienstleistungen aufgebaut werden – von der Kita bis zum Altenheim. Die dort geleistete, bezahlte Care-Arbeit muss fair entlohnt und arbeitsrechtlich geschützt werden

 

• Lohndumping und Schlupflöcher beim Mindestlohn müssen geschlossen werden! Wir möchten, dass Arbeit sich wirklich lohnt – und zwar für die Arbeiter*innen. Löhne, die so niedrig sind, dass Menschen staatliche Unterstützung brauchen, da sie sonst unterhalb des Existenzminimums liegen würden, gehören verboten!

 

-Calling-

Calling beschreibt den Punkt der Neuen Arbeit, der wohl am bekanntesten ist und am meisten Aufmerksamkeit, Interesse und Nachfrage weckt: Die Frage nach der Arbeit, die wir wirklich wollen. Der Begriff kann als Synonym für “Berufung” verstanden werden und steht für Aktivitäten, die die Menschen wirklich und intrinsisch verfolgen und ausüben möchten – und nicht nur aufgrund kapitalistischer Zwänge und dem Erwartungsdruck der Leistungsgesellschaft. Bergmann spricht hierbei von der sogenannten “Polarität der Arbeit”, in deren Bandbreite an einem Ende “schlechte Arbeit” und am anderen Ende “gute Arbeit” steht. Die “schlechte Arbeit” ist dabei ein Job, der nicht hält, was er verspricht. Zum Beispiel wird wirtschaftliche Unabhängigkeit versprochen, aber in Wirklichkeit stellt er ein Abhängigkeitsverhältnis dar, dessen Ergebnis (also der Lohn) kaum reicht, um Grundbedürfnisse und gesellschaftliche Teilhabe ausreichend zu gewährleisten. Die “gute Arbeit” hingegen ist die, mit der sich die Menschen identifizieren, die für sie sinnvoll ist kurz: zu der sie sich berufen fühlen. Arbeit, die man wirklich will, soll also eine Alternative zum klassischen Job sein und bedeutet einen Zuwachs an Freiheit.

Doch häufig fällt es schwer zu erkennen, was wir in Bezug auf Arbeit “wirklich wollen”. Der Stellenwert der klassischen, kapitalistischen Erwerbsarbeit hat sich in unserer Gesellschaft verfestigt und bereits in der Schule werden wir darauf vorbereitet, für den Arbeitsmarkt von Wert zu sein – nicht andersherum. Um Menschen also dazu zu befähigen, zu wissen und zu tun “was sie wirklich wollen” muss bereits im Bildungssystem angesetzt werden. Es muss viel mehr vermittelt werden, dass Arbeit dann gut ist, wenn sie uns als Menschen einen Mehrwert gibt und dass Arbeit nicht automatisch gut ist, wenn sie einen besonders hohen Lohn oder Macht über Mitarbeitende mit sich bringt. Als Jungsozialist*innen ist für uns hierbei auch die Beseitigung von Bildungsungleichheit unabdingbar. Wer sich darum sorgt, wie nächsten Monat die Miete, oder morgen der Wocheneinkauf finanziert werden soll, oder wer im Elternhaus bereits Armut erfährt, der*die kann sich nicht in dem Maße auf Bildung konzentrieren, wie dies Menschen ohne existenzielle Sorgen möglich ist. Auch die Auseinandersetzung mit der Frage nach der eigenen Berufung kann für Menschen im Prekariat wenn überhaupt eine untergeordnete Rolle spielen, da alle Energie primär zur Sicherung der Lebensgrundlage aufgewendet werden muss. Instrumente wie eine Kindergrundsicherung, Bafög – sowohl für Studierende als auch für Auszubildende – und die Mindestauszubildendenvergütung müssen daher so gestaltet sein, dass sie armutsfest sind und den Empfänger*innen die Sorge um den Erhalt der eigenen Existenz nehmen.

Darüber hinaus spielt für Erwachsene die Beratung eine Bedeutung – eine, die mit Möglichkeiten und Optionen experimentiert und die nicht nur im persönlichen Gespräch im Beratungszimmer stattfindet.

Klar ist dabei, dass die Dauer dieser Beratung nicht durch eine von vornherein limitierte Anzahl an Stunden orientiert sein kann, sondern dass sie sich nach der Zeit richtet, die für die Beratung benötigt wird. Nach Bergmann muss Teil dieser Beratung auch die Aufklärung darüber sein, was der Gegensatz zwischen Lohnarbeit und der Arbeit “die man wirklich will” ist.

Doch die persönliche Verwirklichung endet nicht nach der Feststellung, in welche Richtung man möchte. Gerade für Menschen die schon im Berufsleben sind, erscheint der Weg zur Selbstverwirklichung unmöglich. Ein Fernstudium beispielsweise ist nicht nur enorm teuer, sondern auch zeitintensiv. Weiterbildungen finden häufig während der Arbeitszeiten statt. Wenn wir kostenlose Bildung, von der Kita bis zu*m*r Meister*in/Master wirklich ernst nehmen, müssen wir auch Mechanismen schaffen, die das auch Berufstätigen ermöglichen.

 

Aus jungsozialistischer Sicht gilt es daher, unser Bildungssystem vom Kopf auf die Füße zu stellen und entschieden gegen Chancenungleichheit vorzugehen. Wir möchten dabei auf folgende Instrumente zurückgreifen:

 

• Eine Bafög-Reform! Bafög muss, für Studierende wie Auszubildende, die freie, eigenständige und unabhängige Entwicklung gewährleisten – und das geht nur, wenn es den Empfänger*innen ein Leben überhalb des Existenzminimums garantiert

 

• Eine armutsfeste Kindergrundsicherung und kein neoliberales Feigenblatt!

 

• Eine umlagefinanzierte Ausbildungsplatzgarantie – damit kein junger Mensch mehr ohne Ausbildungsplatz da steht und damit Betriebe wieder mehr ausbilden

 

• Gebührenfreies Fernstudium, insbesondere für Arbeitnehmer*innen

 

• Voll vergütete Freistellungen für Weiterbildungen für Arbeitnehmer*innen

 

• Übernahme der Kosten (solange sie nicht abgeschafft sind) für sämtliche Unkosten von Lernmittel etc. durch die Arbeitgeber*innen

 

-Eigenarbeit in Community Production-

Der Effizienzwahn und Profitdruck der klassischen Lohnarbeit soll durch eine nachhaltige Stärkung des freien Willens des Einzelnen und der nachhaltigen Stärkung eines gemeinschaftlichen, kollaborativen Geistes ersetzt werden.

Gemeint ist eine Form der lokalen Ökonomie, bei der Menschen Güter selbst herstellen können – und zwar mit adäquater Produktionstechnologie. So sollen viele Dinge des täglichen Gebrauchs durch die Menschen selbst hergestellt werden – zur eigenen Benutzung, ohne den Druck von Profit und Konsum. So würden Arbeitsprozesse professionell und selbstständig durch die Arbeiter*innen ausgeführt, Lebenshaltungskosten könnten gesenkt werden und den Menschen mehr Unabhängigkeit und damit mehr Freiheit verschafft werden.

Natürlich zählt zur Eigenarbeit auch die Arbeit für das soziale Miteinander. Ehrenamtliches und gesellschaftlichen Engagement sind existenzieller Grundpfeiler unseres Zusammenlebens. Deshalb braucht es die notwendige Rückendeckung, zeitlich wie finanziell, um diese Arbeit leisten zu können.

 

-Nicht ohne die Gewerkschaften!-

New Work ist ein arbeitsphilpsophisches Modell, das uns für die Zukunft unserer Arbeit viele gute Ansätze und Impulse liefert, aber auch Risiken birgt. So liegt im Fokus auf die Selbstentfaltung der einzelnen Arbeiter*innen gleichzeitig die Gefahr, die Individualisierung der*des Einzelnen und die Entfremdung der Arbeiter*innen mit der Gesellschaft und ihrer Klasse massiv zu beschleunigen.

Außerdem bietet es, insbesondere durch die oftmals synonyme Verwendung der Begriffe “New Work” und “Arbeit 4.0” enormes Potenzial neoliberal ausgeschlachtet zu werden, indem Flexibilisierung und individuelle Freiheit gepriesen werden. Aber gemeint werden eine Entgrenzung der Arbeitszeiten und -orte, sowie eine Schwächung des gewerkschaftlichen Solidargedankens der durch das “Streben nach eigenem Glück” verdrängt werden soll. Neoliberale versuchen so, den Organisationsgrad und damit die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften zu schwächen, und die Arbeitgeberseite zu stärken. Am Ende steht dann nicht New Work, sondern eine Verschärfung der ausbeuterischen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeiter*in und die Schaffung neuer Formen von Ausbeutung und prekärer Arbeit.

Natürlich kann durch digitale Arbeitsinstrumente auch Unterstützung und Entlastung für die Beschäftigten gelingen, jedoch stehen hier gegenüber die Risiken neuer digitaler Kontroll- oder gar Überwachungsregime, Selbstüberforderung, eine zeitlich- räumliche Entgrenzung der Arbeit und die Ausweitung unregulierter Arbeitsverhältnisse wie Soloselbstständigkeit, Werkverträge oder Freiberuflichkeit. Beispiele dafür sind Plattform- und Crowdworking, die den Arbeitnehmer*innen die große Entscheidungsfreiheit suggerieren, die Flexibilität preisen aber de facto neue Formen der Ausbeutung sind.

New Work ist also ambivalent, denn New Work bedeutet nicht automatisch Good Work. Es besteht ein enormer Gestaltungsbedarf, wenn wir die Chancen im Sinne der Arbeiter*innen nutzen wollen und aus New Work wirklich Good Work entstehen soll. Die Gewerkschaften sind hier keinesfalls hinter der Zeit – so erkannten sie zum Beispiel bereits früh die Ambivalenz mobiler Arbeit und prägten den Diskurs mit Forderungen wie ein Recht auf Homeoffice, aber auch den Anspruch auf einen Arbeitsplatz im Betrieb. Auch finden sich die Plattformökonomie betreffend viele Regulierungsvorschläge seitens der Gewerkschaften, wie beispielsweise die Festlegung von Mindestanforderungen, die Mitbestimmung oder die soziale Sicherung der Arbeitnehmer*innen.

Doch auch die Gewerkschaften sehen sich mit zunehmender Digitalisierung und der Veränderung der Arbeitswelt vor Herausforderungen gestellt. Durch die Entgrenzung der Arbeit, zum Beispiel durch mobiles Arbeiten, sind Arbeiter*innen nicht mehr direkt in betriebliche Prozesse eingebunden (Werkverträge, Crowdwork), der Betrieb als regulativer und sozialer Ort erodiert. Das erschwert die Arbeit von Betriebsrät*innen und die der innerbetrieblichen Organisation. Auch abseits der Betriebe sind Zugänge zu den Beschäftigten dadurch oft fehlend und erschweren den Gewerkschaften so die Mitgliedergewinnung.

Für uns Jungsozialist*innen ist klar: Wir stehen immer an der Seite der Gewerkschaften, auch bei der Gestaltung der Arbeit der Zukunft. Ohne starke Gewerkschaften können wir die moderne Arbeitswelt nicht sozial, menschengerecht und solidarisch gestalten. Die Stärkung von Betriebsräten und Gewerkschaften ist daher essentiell, um aus New Work auch Good Work zu machen. Viele Rahmenbedingungen und Aspekte von New Work können und werden bereits über Tarifverträge festgelegt, zum Beispiel die Frage der Wochenarbeitszeit, Ruhezeiten, Regelungen zum mobilen Arbeiten oder Nacht- und Wochenendzuschläge.

 

Um die Gewerkschaften weiter zu stärken und eine Erhöhung der Tarifbindung, auch in neuen Formen der Arbeit wie in der Plattformökonomie zu erreichen fordern wir:

 

• Dass die Ampel-Regierung das Bundestariftreuegesetz endlich auf den Weg bringt, um die Tarifbindung zu stärken. Öffentliche Aufträge und Fördergelder sollen nur Unternehmen erhalten, die nach Tarif bezahlen und tarifliche Standards erfüllen

 

• Eine Erleichterung des Verfahrens zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass unterschiedliche Standards berücksichtigt werden, die einen Dumping-Wettbewerb auf Kosten der Arbeitsbedingungen verhindern

 

• Schluss mit der Tarifflucht! Mitgliedschaften von Unternehmen in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung, sogenannte “OT-Mitgliedschaften”, müssen abgeschafft, mindestens aber in ihrer Zulässigkeit so weit wie möglich eingeschränkt werden

 

• Digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften. In einer sich stetig digitalisierenden Arbeitswelt und dem Anstieg von mobilen Arbeiten (also Abwesenheit der Arbeitnehmer*innen im Betrieb selbst) müssen Gewerkschaften zusätzlich zu den herkömmlichen Zutrittsrechten auch ein digitales Zutrittsrecht erhalten, um die Beschäftigten in der oftmals fragmentierten und digital organisierten Arbeitswelt besser erreichen zu können. Gewerkschaften müssen im
Intranet oder ähnlichen digitalen Systemen präsent sein können.

 

• Zur Förderung von Gewerkschaftsmitgliedschaft sollen Mitgliedsbeiträge außerhalb des sogenannten Arbeitnehmerpauschbetrages (Werbungskosten) steuerlich absetzbar sein. Auch Mitglieder, die keine Einkommensteuer zahlen müssen eine Entlastung für ihren Mitgliedsbeitrag erhalten

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: Bundesparteitag, Parteivorstand zur Erarbeitung des nächsten Regierungsprogramms