2022/A/6 Transformation gestalten: menschlich - sozial – ökologisch

Status:
Überweisung

Die Transformation der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft ist in vollem Gang. Der Klimawandel und die Übernutzung der natürlichen Ressourcen unseres Planeten werden zukünftig einen starken Einfluss auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen haben. Das haben uns gerade die Hochwasserkatastrophen in unserem Land und die zunehmenden Waldbrände in immer mehr Regionen Europas im vergangenen Jahr vor Auge geführt. Gleichzeitig erleben wir einen tiefgreifenden technologischen Wandel, zunehmende Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung, mangelnde Investitionen sowohl im unternehmerischen Sektor als auch in die öffentliche Infrastruktur und in Bildung, eine vom Finanzkapitalismus geprägte Globalisierung.
Wir stehen aber noch am Anfang eines wirklich entscheidenden Umbaus von Industrie Dienstleistungen und Landwirtschaft, der sich in den nächsten Jahrzehnten weiter beschleunigen wird. Es geht darum, einen ressourceneffizienten und klimaneutralen Weg zu finden, der der wachsenden Weltbevölkerung ein besseres Leben und mehr Gerechtigkeit bringt.
Schwer abschätzbare Risiken und neuen Chancen gehen miteinander einher. Begeisterung und Hoffnungen treffen auf Skepsis und Ängste. Ein globaler Markt von nie gekannten Ausmaßen ist entstanden, ein eifriger, wissenschaftlich-technischer Fortschritt verändert unsere Lebens- und Arbeitswelt, drohende ökologische Verwüstungen erfordern den Umbau von Wirtschaft und Industrie. Klimawandel, Energie- und Verkehrswende, Globalisierung, Industrie 4.0, Digitalisierung, Demografie, und vieles mehr verändern erheblich alle Bereiche unserer Wirtschaft und Gesellschaft und reichen tief in unseren Alltag hinein. Viele dieser Prozesse wurden und werden nun durch die Corona-Pandemie erheblich verstärkt und beschleunigt. Aktuell kommen noch Entwicklungen wie die Störungen der Lieferketten, die Explosion der Energiepreise, Blasenbildungen beispielsweise im Immobiliensektor, steigende Risiken auf den internationalen Finanzmärkten hinzu.
Es gilt, die tiefgreifenden Umbrüche in Arbeitswelt und Gesellschaft

  • sozial gerecht, also verbunden mit Stärkung der Lohneinkommen und der sozialen Sicherungssysteme,
  • im Sinne guter Arbeit, also der Humanisierung, Gesundheit und Qualifizierung,
  • ökologisch nachhaltig,
  • demokratisch im Sinne von mehr politisch-gewerkschaftlicher Lenkung und Mitbestimmung

zu gestalten. Ob jetzt die Chancen der Transformation genutzt werden oder ihre Folgen negativ durchschlagen, ob jetzt die Gestaltung des Wandels gelingt oder eine Erosion industrieller Kernstrukturen zugelassen wird, ob jetzt Beschäftigte beteiligt, qualifiziert oder entlassen und abgehängt werden, ob Vertrauen in demokratische Prozesse gestärkt oder reaktionäre/ rechtspopulistische Kräfte sich demagogisch als ‚Alternative‘ profilieren können, das haben alle verantwortlichen Akteure in der Hand. Um Wirtschaftsförderungen und Investitionen zu verwalten muss der öffentliche Dienst verstärkt werden.
Die Problematik bedrohter Wertschöpfung in den Regionen des Umbruchs wird seitens der Koalitionäre erkannt und es soll eine aktive regionale Strukturpolitik unterstützt werden. Auch die Finanzierungsprobleme von KMU im Umbruch werden adressiert. In vielen Bereichen kommt es auf die Umsetzung an.
Für eine umfassende Mobilitätswende ist noch nicht geklärt, ob es wirklich zu ausreichender Förderung von Schiene, klimafreundlicherem Güterverkehr und öffentlichen Mobilitätsträgern kommt. Dafür sollen die beschleunigten Verfahren schnell eingeführt und umgesetzt werden. Für den Ausbau der Erneuerbaren sind viele positive Maßnahmen im Koalitionsvertrag vereinbart, von den erhöhten Zielen über die Planungsbeschleunigung bis zur Finanzierung, der Reform des Strompreises und der Akzeptanz von Gas als Übergangstechnologie. Für den Wärmebereich ist vieles ambitioniert festgelegt.
Im Koalitionsvertrag wird eine Weiterentwicklung der Mitbestimmung angekündigt, leider aber nur wenige konkrete Vorhaben benannt. Erbeinhaltet gute arbeitsmarktpolitische Ansätze. Mit dem Qualifizierungsgeld soll ein Instrument geschaffen werden, das dem bisherigen Transformationskurzarbeitergeld nahekommt. Positiv ist auch die Weiterentwicklung des Qualifizierungs-(Transfer)kurzarbeitergeldes. Mit der Bildungs-(teil)zeit wird ein Anspruch auf Weiterbildung eingeführt und eine finanzielle Unterstützung avisiert. Das Nachholen eines Berufsabschlusses oder eine berufliche Neuorientierung sollen möglich werden.
Mit den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag stellt sich die neue Regierung der großen Herausforderung unserer Zeit, der sozial-ökologischen Transformation. Uns fehlt konkret: Was wird an zusätzlichen öffentlichen Investitionen gebraucht und wie sieht ihre Finanzierung aus? Der Wille ist erkennbar, über Absichtserklärungen hinaus zu konkretem, zielgerichtetem Handeln zu kommen.

Unsere Forderungen:

Wir wollen, dass die Arbeitnehmerschaft und ihre Gewerkschaften zu Akteuren der Veränderungen werden. Ohne reale Veränderungen hin zur Demokratisierung der Unternehmen und der gesamten Wirtschaft, ohne eine Umverteilung von Macht und Einkommen wird es keinen ökologisch-sozialen Umbau unserer Volkswirtschaft geben können. Im Kern kann die Transformation nur im Produktions- und Dienstleistungssektor, also in Betrieben, Forschungseinrichtungen und Verwaltungen umgesetzt werden, dort wo die menschliche Arbeit geleistet wird.
Die Transformation und der Klimawandel sind soziale Fragen: Neoliberale, Konservative und teilweise grüne Kräfte treffen sich an einem zentralen Punkt: die Kosten der Transformation sollen über Preise auf die Masse der Verbraucher abgewälzt und ihre beschäftigungspolitischen „Kollateralschäden“ als Nebenwiderspruch der wissenschaftlichen Wahrheit in Kauf genommen werden. Umgekehrt werden Störungen auf den entfesselten Weltmärkten, internationale Konflikte, Spekulationen und tatsächliche Knappheiten der Klimaschutzpolitik angelastet. Bisher ist noch nicht erkennbar, ob und wie Kosten und Nutzen der Transformation gerecht verteilt werden können.
Es ist die historische Aufgabe und das Alleinstellungsmerkmal der Sozialdemokratie, die soziale und humane Gestaltung des Wandels im Bündnis mit den Gewerkschaften und unter Einbeziehung der gesamten Arbeitnehmerschaft politisch zu planen, programmatisch voranzutreiben und mehrheitsfähig zu machen.

1) Energie- und Mobilitätswende meistern

Die Energiewirtschaft und der Automobilsektor sind aktuell die am stärksten von der Transformation betroffenen Industrien. Die Beschäftigten erleben die Transformation in großen Teilen als Bedrohung mit Abstieg und Einkommensverlust. Bergwerke und Kraftwerke mit sicheren Einkommen, sozialer Absicherung, Mitbestimmung und hohem gewerkschaftlichem Organisationsgrad wurden geschlossen und die alten Strukturen der Energiewirtschaft mit guten Arbeitsbedingungen zerschlagen. Auch die Unternehmen mit über hunderttausend Beschäftigten des deutschen Energieanlagen- und Kraftwerksbaus und ihrer Zulieferer, denen beim Umbau der Energie- und Wärmeversorgung eine Schlüsselrolle zufällt, sind bedroht. Investitionen in Energieanlagen und deren Service wurden zurückgestellt oder auf die lange Bank geschoben. Der Abbau von Arbeitsplätzen und die Schließung von ganzen Standorten nehmen zu. Gleichzeitig fehlen Fachkräfte und es gibt Probleme bei der Stellenbesetzung. Ursache sind oft fehlende Tarifbindung und schlechte Arbeitsbedingungen. Die Masse der „neuen“ Arbeitsplätze im Bereich von Wind- und Solarenergie erwies sich als instabil, gewerkschafts- und mitbestimmungsfeindlich. Bei öffentlicher Vergabe erhalten oft Firmen ohne Tarifbindung den Zuschlag. Tarifgebundene Anlagenhersteller und Leitungsbauer gehen leer aus. Außerdem fehlt für viele Projekte die Akzeptanz. In der Automobilindustrie nutzen viele Arbeitgeber, vor allem bei den Zulieferern, die Chancen für Tarifflucht und Betriebsverlagerungen ins Ausland oder drohen derartige Maßnahmen an. Hier geht es um hunderttausende Jobs. Der Gebäudesektor gerät trotz derzeitigem Boom ebenfalls unter Druck, weil der demografische Wandel stärker wird, Rohstoffpreise steigen und Industrie und Handwerk die Fachleute ausgehen und der Nachwuchs fehlt. Ursache sind oft fehlende Attraktivität oder zu wenig Ausbildung.
Die Strategien vieler Konzernlenker, Berater und Investoren laufen darauf hinaus, traditionelle Unternehmenszweige und Betriebsteile abzustoßen und abzuwickeln und die zukunftsträchtigen Teile „altlastenfrei“ mit maximalen Profiten auf den Märkten zu platzieren.
Eine Energie- und Mobilitätswende muss unbedingt mit beschäftigungspolitischen Zielen verbunden werden. Deshalb brauchen wir für den Weg in eine gute Zukunft:

  • Ein klares Bekenntnis zu guter Arbeit. Maßnahmenpakete und konkrete Umsetzungsschritte müssen mit sozialen und ökologischen Nachhaltigkeits-kriterien in den öffentlichen Tariftreue- und Vergaberichtlinien und Förderprogrammen auf allen Ebenen verankert werden und in die Ausgestaltung der EU-Taxonomie einfließen und dabei Perspektiven für Gute Arbeit und nachhaltige Wertschöpfung im heimischen Industrie-, Handwerks und Dienstleistungsbereich sicherstellen.
  • Wir brauchen ein industriepolitisches Gesamtkonzept mit vorausschauender Innovationsförderung für klimaneutrale Technologien und funktionierender Sektorenkopplung unter Beteiligung der Gewerkschaften.
  • Schnelle Entscheidungen, konkrete Maßnahmen und Verbindlichkeit bei der Umsetzung. Die Kopplung und Verzahnung aller Mobilitäts- Energie- und Wärmesektoren muss vorangetrieben werden.
  • Mehr Verbindlichkeit bei der Umsetzung des Klimaprogramm 2030 der Bundesregierung.
  • verstärkten Ausbau intelligenter Verteilnetze und die Förderung neuer Speichertechnologien.
  • Schaffung von Rahmenbedingungen und Planungssicherheit für die energieintensiven Industrien im internationalen Wettbewerb.
  • Förderung von Innovationen in neue Energietechnik, zum Beispiel für Hochtemperatur-wärme, Kraft-Wärme-Koppelung oder Kohlenstoffnutzung in der Industrie. Bisherige Energieregionen zu neuen Energieregionen umbauen und dabei sowohl Nachnutzungs-konzepte für abgeschaltete Kraftwerke, wie auch Pilotprojekte zu erneuerbaren Energietechnologien ermöglichen und Fernwärme ausbauen.
  • Gewährleistung von Versorgungssicherheit durch flexible Gaskraftwerke, industrielle Eigenstromerzeugung und KWK. Neubau von 17 GW Gaskraftwerken als Brückentechnologie.
    Maßnahmen einer integrierten Industrie- und Handwerkspolitik
  • Der Umbau unserer Energie- und Wärmeversorgung verlangt eine nachhaltige industriepolitische Strategie, eine Umsetzung mit klaren Rahmenbedingungen und hoher Verbindlichkeit – für die Industrie, aber auch für das Handwerk. Das schafft dauerhaft verlässliche Wettbewerbs- und Investitionsbedingungen für die Unternehmen und damit Perspektiven für die Beschäftigten in den Branchen. Energiewende und Klimaschutz müssen stärker mit Wirtschafts-, Industrie- und Handwerkspolitik zusammengedacht, geplant und umgesetzt werden.
  • Modernisierungsrate bei Gebäuden sozial verträglich gestalten und den Ausbau mit moderner Heizungstechnik (z.B. Hybrid/Wärmepumpen/KWK) beschleunigen.
  • Förderlandschaft transparent, verständlich, technologieoffen und sozial ausgewogen gestalten, langfristig verstetigen und die Zugänge erleichtern.
  • Verlässliche Rahmenbedingungen mit mehr Rechtssicherheit bei schneller Planung und Ausweisung mit verbesserten bzw. neuen Sonderregelungen für Windenergie.
  • Aufbau von Kapazitäten und Infrastruktur für grünen Wasserstoff, Import nach fairen Umwelt-, Sozial-und Arbeitsstandards. Im Übergang auch Nutzung von CO2-armen und später CO2-freien Energieträgern (Gas/Liquid) ohne Restriktionen.
  • eine flächendeckende und verlässliche Infrastruktur von Schnellladestationen genauso wie massive Investitionen in den öffentlichen Nah- und Fernverkehr und die Schiene.
  • Den Strompreis sozialverträglich bezahlbar machen. Weitergabe der Preisvorteile für erneuerbarer Energien schaffen, Abgaben und Umlagen überprüfen und reformieren, Spekulation unterbinden und Strommarkt wieder regulieren.
  • eine Industriepolitische Begleitung der Transformation durch politische Rahmensetzungen für die einzuschlagenden Technologiepfade einschließlich entsprechender breit angelegter technologieoffener Forschungsprogramme.
  • Entwicklung von Masterplänen, die die Umstellung der Wertschöpfungsketten auf die neuen Technologien und Produkte unterstützen, Dumping und Verdrängungswettbewerb ausschließen und möglichst die gesamte Wertschöpfungskette in Deutschland und Europa halten bzw. die fehlenden Teile schaffen. Neue Potentiale müssen an den Schnittstellen der Sektoren- und Branchengrenzen im Zusammenspiel verschiedener Unternehmen aus verschiedenen Branchen gehoben werden. Die damit verbundenen Umstrukturierungen sind unter Erhalt von Mitbestimmung und Tarifbindung und zusammen mit den Gewerkschaften sozialverträglich zu gestalten.
  • Ziel muss die Kreislaufwirtschaft sein, Konzepte hierzu müssen mit allen dazugehören Partnern ermittelt und umgesetzt werden.
  • Ein industriepolitisches Augenmerk müssen wir auf die Stabilisierung von Lieferketten legen. Dazu braucht es gesamteuropäische Konzepte, um Abhängigkeiten und Umwelt- und soziale Schäden zu reduzieren.
    Angesichts der gewaltigen Investitionsbedarfe ist mit einer Politik der schwarzen Null und weiterer Investitionszurückhaltung der Unternehmen die Verkehrs- und Energiewende nicht zu bewältigen. Angesichts riesiger Kapitalanlagen und günstiger Finanzierungsbedingungen (Investmentfonds halten Billionensummen bereit, die Aktienkurse liegen auf Rekordniveau, die Gewinne im letzten Jahrzehnt waren exorbitant, die Zinsen sind extrem niedrig und die Eigenkapitalausstattung ist hoch), müssen Staat und Politik vor allem einen berechenbaren Rahmen und entsprechende Investitionsanreize für die Industrie setzen, auch durch entsprechende öffentliche Nachfrage. (Öffentliche Verkehrsmittel, Beschaffung, kommunale Finanzen…) Steuergelder, die an Unternehmen gezahlt werden, müssen an verbindliche Standards, Vorgaben und Rückzahlungen gebunden werden. Ansonsten soll deren Einsatz an Beschäftigungssicherung, Qualifizierung, und soziale Absicherung beschränkt bleiben.
  • Dazu brauchen wir ein umfassendes Investitionsprogramm. Klimaneutralität erfordert enorme Investitionen zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. Ein enormer Investitionsbedarf von rund 500 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren ist insgesamt notwendig. Die öffentliche Hand trägt davon einen hohen Anteil. Wir brauchen dazu eine klare, umfassende Regulierung und Förderung bei der auch sozial-ökologische Kriterien wirken. Resiliente Wertschöpfungsketten in Deutschland und Europa müssen die Zielstellung für kommende Investitionen sein.

Im Zuge der Digitalisierung werden Arbeitsplatzeffekte in vielen Branchen durch gegenläufige Prozesse geprägt: Wachstum durch neue digitale Angebote sichert und schafft Arbeitsplätze – Effizienzgewinne durch Digitalisierung interner Prozesse gefährden Arbeitsplätze.
Noch stärker als direkte Produktionsbereiche könnten allerdings die indirekten/klassischen Büro- und Informationstätigkeiten (wie Buchhaltung, Sachbearbeitung, Engineering etc.) unter Druck geraten.
Die Digitalisierung in ihren Auswirkungen auf Leistungs- und Verhaltenskontrollen (Stichwort: „Gläserner Mitarbeiter“) braucht Vereinbarungen zum Schutz der Beschäftigten. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten beinhalten mit zunehmendem Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung und ständiger Erreichbarkeit große Risiken für die Beschäftigten, insbesondere mit der Folge der Zunahme von psychischen Erkrankungen. In allen Bereichen bedarf es erheblicher Qualifizierungsanstrengungen, weil wir die Beschäftigten auf neue Tätigkeiten vorbereiten müssen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen deshalb mit einem Transformations-KUG oder Qualifizierungsgeld weiterentwickelt werden.
Dies gilt in besonderem Maße auch mit Blick auf die demografische Entwicklung. Die Rekrutierung von neuen Fachkräften und die betriebliche Weiterbildung vorhandener Fachkräfte sind wesentliche Grundlage für die Organisation des Wissens- und Know-how-Transfers.
Die Transformations- und Diversifizierungsprozesse müssen durch entsprechende Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen begleitet werden. Eine Qualifizierungsoffensive in den Industrie- und Handwerksbranchen der Energie- und Wärmetechnologien ist dazu der richtige Weg.
Dazu brauchen wir neben erreichbaren Weiterbildungsangeboten auch ein einfaches zugängliches Weiterbildungsangebot, das aufführt, welche Rechte und Pflichten bei Weiterbildung bestehen und wo man sich über Angebote informieren kann.
Neben staatlichen Institutionen sind vor allem auch die Arbeitgeber zu fordern.

2) Außenwirtschaftliche Absicherung

Durch die fortschreitende Digitalisierung und den Druck der Investoren und Finanzmärkte gewinnt der Konkurrenzdruck an neuer Schärfe. Bisher wird dieser Druck an die Beschäftigten, auf die Steuer- und Sozialsysteme, an Umwelt und Klima weitergegeben. Staaten sollen im Zuge der Durchsetzung marktgerechter Demokratien (oder Diktaturen) zu Anbietern konkurrierender Rechtssysteme degradiert werden. Damit muss Schluss sein. Wir fordern demgegenüber einen Primat von Politik, Staat und Demokratie. Das bedeutet, dass wir Regeln, die die Arbeiterbewegung in jahrhundertelangen Auseinandersetzungen auf nationaler Ebene erkämpft hat, auch dadurch absichern müssen, dass sie nicht durch die Globalisierung unterspült werden. In Zeiten der Transformation gilt es, fortschrittliche Klima-, Umwelt-, Arbeits-, Steuer- und Sozialpolitik nicht durch deregulierten Welthandel aushebeln zu lassen.
Auf EU-Ebene hat das durch die Regulierung des Binnenmarktes zu geschehen. Ansatzpunkte sind hier gemeinsame Regeln für die Kapital- und Unternehmensbesteuerung, der co2-Zertifikatehandel, die Etablierung der sozialen Säule samt Mitbestimmung, Mindestlohn und Sozialsystemen, eine Industrie- und Dienstleistungspolitik, die diesen Namen verdient und eine neue Handelspolitik.
Wir unterstützen sämtliche Bemühungen für ein nationales oder europäisches Lieferketten-gesetz mit verbindlichem statt freiwilligem Charakter. Das gilt auch für Einfuhrbestimmungen für Rohstoffe wie bei den „Konfliktmineralien“.
Die von den USA angezettelten Handelskonflikte sowie die Debatte um CETA, TTIP und die anstehenden weiteren Abkommen beispielsweise mit dem Mercosur zeigen, wie weit wir von fairem internationalen Wettbewerb entfernt sind. Die Durchsetzung sozialer und ökologischer Standards scheitert hier immer wieder an verbindlichen, kontrollierbaren und rechtlich durchsetzbaren Regeln, egal ob es um Landwirtschaft, Abholzung, Datenschutz, Steuern, Arbeitnehmerrechte oder Kapitalmärkte geht.
Wir sprechen uns daher für ein Moratorium für alle EU-Handelsabkommen aus. Dies gilt, bis die EU Instrumente gegen Umwelt- und Sozialdumping entwickelt hat.
Im Zuge der Klimadiskussion gewinnt ein sogenannter ökologischer Grenzausgleich (co2-Zoll) bei grünen und anderen neoliberalen Wissenschaftlern und Politikern Anhänger. Diese warnen ebenso wie Industrie, Gewerkschaften und Sozialdemokraten davor, dass wir ökonomisch zu den Verlierern unserer eigenen Klimapolitik werden, wenn co2- und energieintensive Industrien ins Länder mit niedrigen co2-Preisen abwandern. Dann würde die Transformation tatsächlich in De-Industrialisierung einmünden. Ein Vorschlag sieht daher ein Grenzausgleichssystem wie bei der Mehrwertsteuer vor:
Importe werden dabei mit dem nationalen Steuersatz nachbelastet, Exporte freigestellt. Grundlage der Besteuerung wäre der co2-Gehalt des jeweiligen Importes. Wir fordern eine entsprechende Regelung für soziale Standards, also einen sozialen Grenzausgleich. Maßgröße dafür sind ökonomisch feststellbare und vergleichbare Daten, die international anerkannt sind. Dies könnte der Gini-Koeffizient, also der Maßstab für Ungleichheit, die Bruttolohnquote nebst Mindestlohnniveau oder/und die Sozialleistungsquote sein. Auch wäre denkbar, in einem Punktesystem internationale Menschen- und Arbeitsrechtsnormen einzuberechnen. Entscheidend dabei ist, dass wir nicht protektionistisch unser Wohlstandsniveau zugrunde legen, sondern relative Kennziffern der jeweiligen Volkswirtschaft, die den jeweiligen Grad an Ausbeutung im Verhältnis zum deutschen bzw. europäischen Niveau aufzeigen. Der Grenzausgleich verteuert bzw. verbilligt Einfuhren in dem Maße, wie das Gerechtigkeitsniveau vom heimischen Niveau abweicht. Damit setzen wir auch Anreize in aller Welt, den arbeitenden Menschen in allen Wirtschaftszweigen gerechte Einkommen zukommen zu lassen und vermindern den Druck auf die Arbeitsbedingungen im globalen Zusammenhang. Um weiteren Handelskonflikten vorzubeugen, muss ein solches sozial-ökologisches Grenzausgleichsystem auf europäischer Ebene, in der OECD und vor allem in der WTO vorangetrieben werden.

3) Mitbestimmung und Demokratie im Betrieb stärken

Betriebsräte und die Unternehmensmitbestimmung sind für die Entwicklung betrieblicher Innovationen und in der Ausbildung und Qualifizierung von Beschäftigten mehr als eine enorme Bereicherung. Sie schützen Beschäftigte und setzen sich für diese ein. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat deutlich gezeigt, dass Betriebs- und Personalräte und Unternehmensmitbestimmung ein echter Standortvorteil für unsere Industrie und Wirtschaft sind.
Unsere Industrie, Handwerk und Dienstleistung sind in der Gestaltung der Transformation auf das Know-how und die Mitwirkung ihrer Beschäftigten angewiesen. Ohne Beteiligung der Belegschaften wird dies nicht gelingen. Und Beteiligung im deutschen Sozialpartnermodell braucht auch eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte der Betriebs-und Personalräte.
Mitbestimmung und Tarifverträge sind aus unserer Sicht zentrale Säulen zur Bewältigung des Wandels in seiner neuen Dimension und ihrer möglichen Folgen. Diese Lehren sollten wir aus den Erfahrungen im Zusammenhang der gemeinsamen Krisenbewältigung nicht vernachlässigen.

  • Wir brauchen stärkere Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte, damit betriebliche Zukunftsvereinbarungen, die mittel- und langfristige Investitionsentscheidungen, Standortsicherung, Kündigungsschutz und verbindliche Personal- und Qualifizierungsplanung- und Entwicklung beinhalten, wenn nötig auch erzwingbar vereinbart werden können.
  • Die Mitbestimmung von Betriebsräten bei Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung, bei Betriebsänderungen (Umorganisation, Umstrukturierungen, Produktionsverlagerungen, Beschäftigungsabbau) ist zu erweitern und durch ein zwingendes Mitbestimmungsrecht beim Interessenausgleich zu stärken. Outsourcing-Maßnahmen und der Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen müssen einer stärkeren Mitbestimmung und einem Zustimmungsverweigerungsrecht unterliegen. Hinzu gehört auch ein effektiver Unterlassungsanspruch bei Nichtbeachtung jeglicher Beteiligungsrechte.
  • Gesetzlich festgelegte Förderung und Finanzierung spezifischer Qualifizierungs- und Beratungsangebote für Betriebsräte müssen geschaffen werden, um die Arbeitnehmervertretungen für komplexer werdende Anforderungen zur Gestaltung von Transformation handlungsfähiger zu machen.
  • Maßnahmen der Beschäftigungssicherung, z.B. eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, muss als Teil des Sozialplanes vom Betriebsrat durchgesetzt werden können.
  • Mit einer Möglichkeit der Kurzarbeit bei strukturellen Umbrüchen könnte diese Phase stärker und gezielter für die Qualifikation der Beschäftigten genutzt werden. Dazu bedarf es einer Erweiterung des Qualifizierungschancengesetzes mit einem kollektiven Ansatz.
  • Wir wollen die Rechte der Beschäftigten bei Betriebsübergängen sowie Unternehmens-fusionen und -aufspaltungen verbessern und Mitbestimmung auch in wirtschaftlichen Fragen schaffen.
  • Es braucht außerdem die institutionelle Förderung von Beratungsinstituten durch den Staat, um Betriebsräte und Unternehmen dauerhaft und kompetent bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen zu unterstützen.
  • Stärkere Beteiligung von Personal-/Betriebsräten und Belegschaften bei der Umsetzung von Digitalisierung und Elektromobilität in der Wirtschaft, also auch Mitbestimmung bei Investitionsentscheidungen.
  • Einrichtung von überbetrieblichen, regionalen oder branchenbezogenen Strukturräten mit Beteiligung von Arbeitgebern, Kommunen und Gewerkschaften mit realen Informations- und Entscheidungsrechten, insbesondere wenn es um Standorte, öffentliche Mittel und Investitionen geht.

Wir wollen keine Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg. Wir haben ein Interesse an demokratischer Beteiligung, an Mitbestimmung. Veränderung wird nur mit uns möglich sein, nicht gegen uns. Unsere Kolleginnen und Kollegen wollen überzeugt und einbezogen, nicht billig abgespeist werden. Deshalb brauchen wir die demokratische Transformation. Fördergelder bei Neugründungen sollen an Kriterien der guten Arbeit verpflichtend verknüpft werden.

4) Standorte und Beschäftigung sichern, Qualifizierungsgeld (Transformationskurzarbeitergeld) einführen

Um die Potenziale der Energie- und Mobilitätswende für die hiesige Wertschöpfung zu nutzen und die Transformations- und Diversifizierungsprozesse erfolgreich zu gestalten bedarf es einer aktiven Arbeitsmarkt- und regionalen Strukturpolitik, die Regionen nicht abhängt und Arbeitslosigkeit verhindert. Dazu müssen diese Prozesse mit Umstrukturierungs- und Investitionsförderungen begleitet werden. Zudem stärkt eine enge regionale Vernetzung und Zusammenarbeit von Bau, Betrieb, über Wartung, bis hin zu Rück- und Umbau und Recycling mit kurzen Lieferketten und hohen Umweltstandards den Heimatmarkt und ist nachhaltig.
Verschiedenste Konzerne spielen häufig eine entscheidende Rolle für ganze Wertschöpfungsketten und ganze Branchen und Regionen. Durch die Transformation entstandene soziale Härten für die Beschäftigten und betriebsbedingte Kündigungen müssen vermieden werden. Dies muss für die gesamte Wertschöpfungskette gelten. Im Strukturwandel geht es darum, für Beschäftigte eine Perspektive für „Gute Arbeit“ in der Region zu entwickeln.
Das heißt qualifizierte Industriearbeit, gutes Einkommen auf Basis von Tarifverträgen und Mitbestimmung. Beschäftigte brauchen Sicherheit im Wandel. Die Ausbildungsberufe und ihre Rahmenlehrpläne müssen modernisiert und den neuen Herausforderungen angepasst werden.

  • Deshalb muss ein Transformations-Kurzarbeitergeld oder ein Qualifizierungsgeld eingeführt werden, mit dem es Unternehmen ermöglicht wird, Beschäftigte im Betrieb zu halten und für neue Aufgaben zu qualifizieren.
  • Dazu gehört auch die Kostenentlastung der Betriebe, wenn sie Kurzarbeit mit Qualifizierung verbinden und eine Verlängerung der Bezugsdauer auf 24 Monate. Dazu muss das Qualifizierungschancengesetz gerade für kleine und mittlere Betriebe handhabbarer gemacht werden und ermöglichen, auch für ganze Beschäftigtengruppen Maßnahmen zu fördern, Transfergesellschaften zu gründen und länger als bisher bestehen zu lassen.
  • Ein Sozialpartnerdialog muss geschaffen und eingerichtet werden. Landesweit und in den Regionen brauchen wir für Fragen des Strukturwandels und der Transformation einen funktionierenden und nachhaltigen Austausch zwischen den Arbeitgeberverbänden, den Gewerkschaften und der Politik.
  • Wir setzen uns für die Gründung eines nationalen Transformationsbeirats beim Bundesarbeitsministerium unter Einbindung aller Akteure (Betriebsräte, Gewerkschaften, Unternehmen, Arbeitgeberverbände, Bundesagentur für Arbeit) und ebenso auf Länderebene ein. Den jetzt vom Bundesarbeitsminister eingesetzten „Rat der Arbeitswelt“ sehen wir als richtigen und wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Auch unterhalb der nationalen Ebene sind verlässliche Strukturen erforderlich – etwa in Form von Regional-räten oder Transformationsbündnissen.
    Den Beiräten obliegt es, auf Basis von regionalen Entwicklungskonzepten eine Priorisierung der Aktivitäten vorzunehmen und die Sicherung industrieller Strukturen und Beschäftigung voranzutreiben.
  • Mit Blick auf den Wandel müssen die Branchendialoge, bei denen Regierung, Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen an einen Tisch kommen, zu festen Arbeitsstrukturen im Rahmen der Mitbestimmung (siehe oben) weiterentwickelt werden. Ohne das Know-how und die Mitwirkung der Betriebsräte und Beschäftigten wird die Transformation nicht gelingen. Betriebsratsgremien, insbesondere in kleinen und mittleren Betrieben mit in der Regel nicht freigestellten Betriebsräten fehlen daher die zeitlichen und fachlichen Ressourcen. Um möglicherweise erforderliche Maßnahmen im Betrieb auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern verhandeln zu können, ist von der Bundesregierung ein Beratungs- und Qualifizierungsfonds für Betriebsräte einzurichten.
  • Regionale Entwicklungsprozesse in den besonders vom Wandel betroffenen Regionen sollen unter Führung eines regionalen Transformationsbeirats als Projekt, zeitlich befristet, und möglichst in Anbindung an die Wirtschaftsförderungseinrichtungen, installiert werden, das dazu beiträgt:
    • integrierte regionale Entwicklungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen,
    • regionale Entwicklungsprojekte zu identifizieren und zu befördern,
    • regionale Netzwerke, Bündnisse, Verbundprojekte, Innovationscluster u.ä. aufzubauen,
    • verborgene regionale Beschäftigungs- und Wachstumspotentiale zu mobilisieren.
  • Wir brauchen dazu eine aktive Umsetzung von regionalen Transformationsclusters und Branchen. Die Regionen sollen sich mit allen Akteuren (Gewerkschaften, Arbeitgeber, Betriebsräte, Kommunalpolitiker, Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen, etc.) an den Tisch setzen um zu entwickeln, was die Regionen brauchen, um auch für die Zukunft gut aufgestellt zu sein: Infrastruktur, Weiterbildung, Kooperationen, etc. Diese Planungen müssen Bund, Länder und Kommunen aktiv begleiten.
  • Regionale Strukturprogramme sollen ein nachhaltiges, qualitatives und umweltverträgliches Wachstum durch die Verbesserung von Innovationsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Ressourceneffizienz insbesondere der von der Transformation betroffenen Unternehmen (entlang der Wertschöpfungskette) erreichen und dabei einen besonderen Schwerpunkt auf den Klimaschutz und die Energiewende, setzen. Ferner bedarf es öffentlicher Beteiligungsfonds zur Sicherung und Transformation von Unternehmen, mit denen z. B. KMUs unterstützt werden können, sobald ein notwendiger oder erzwungener Wechsel des Geschäftsmodells die Investitionskraft übersteigt.

Auf Grundlage einer regionalen Innovationsstrategie sollen auch innovative Vorhaben und eine zielgerichtete, anwendungsorientierte Forschungsinfrastruktur gefördert und der Wissens- und Technologietransfer verbessert werden. Mit entsprechenden regionalen Investitions- und Strukturfonds kann alternative qualifizierte Industriearbeit und damit Perspektiven für „Gute Arbeit“ in den Regionen entwickelt werden.

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: Bundesparteitag
Beschluss: Überweisung an den Bundesparteitag
Text des Beschlusses:

Die Transformation der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft ist in vollem Gang. Der Klimawandel und die Übernutzung der natürlichen Ressourcen unseres Planeten werden zukünftig einen starken Einfluss auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen haben. Das haben uns gerade die Hochwasserkatastrophen in unserem Land und die zunehmenden Waldbrände in immer mehr Regionen Europas im vergangenen Jahr vor Auge geführt. Gleichzeitig erleben wir einen tiefgreifenden technologischen Wandel, zunehmende Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung, mangelnde Investitionen sowohl im unternehmerischen Sektor als auch in die öffentliche Infrastruktur und in Bildung, eine vom Finanzkapitalismus geprägte Globalisierung.
Wir stehen aber noch am Anfang eines wirklich entscheidenden Umbaus von Industrie Dienstleistungen und Landwirtschaft, der sich in den nächsten Jahrzehnten weiter beschleunigen wird. Es geht darum, einen ressourceneffizienten und klimaneutralen Weg zu finden, der der wachsenden Weltbevölkerung ein besseres Leben und mehr Gerechtigkeit bringt.
Schwer abschätzbare Risiken und neuen Chancen gehen miteinander einher. Begeisterung und Hoffnungen treffen auf Skepsis und Ängste. Ein globaler Markt von nie gekannten Ausmaßen ist entstanden, ein eifriger, wissenschaftlich-technischer Fortschritt verändert unsere Lebens- und Arbeitswelt, drohende ökologische Verwüstungen erfordern den Umbau von Wirtschaft und Industrie. Klimawandel, Energie- und Verkehrswende, Globalisierung, Industrie 4.0, Digitalisierung, Demografie, und vieles mehr verändern erheblich alle Bereiche unserer Wirtschaft und Gesellschaft und reichen tief in unseren Alltag hinein. Viele dieser Prozesse wurden und werden nun durch die Corona-Pandemie erheblich verstärkt und beschleunigt. Aktuell kommen noch Entwicklungen wie die Störungen der Lieferketten, die Explosion der Energiepreise, Blasenbildungen beispielsweise im Immobiliensektor, steigende Risiken auf den internationalen Finanzmärkten hinzu.
Es gilt, die tiefgreifenden Umbrüche in Arbeitswelt und Gesellschaft

  • sozial gerecht, also verbunden mit Stärkung der Lohneinkommen und der sozialen Sicherungssysteme,
  • im Sinne guter Arbeit, also der Humanisierung, Gesundheit und Qualifizierung,
  • ökologisch nachhaltig,
  • demokratisch im Sinne von mehr politisch-gewerkschaftlicher Lenkung und Mitbestimmung

zu gestalten. Ob jetzt die Chancen der Transformation genutzt werden oder ihre Folgen negativ durchschlagen, ob jetzt die Gestaltung des Wandels gelingt oder eine Erosion industrieller Kernstrukturen zugelassen wird, ob jetzt Beschäftigte beteiligt, qualifiziert oder entlassen und abgehängt werden, ob Vertrauen in demokratische Prozesse gestärkt oder reaktionäre/ rechtspopulistische Kräfte sich demagogisch als ‚Alternative‘ profilieren können, das haben alle verantwortlichen Akteure in der Hand. Um Wirtschaftsförderungen und Investitionen zu verwalten muss der öffentliche Dienst verstärkt werden.
Die Problematik bedrohter Wertschöpfung in den Regionen des Umbruchs wird seitens der Koalitionäre erkannt und es soll eine aktive regionale Strukturpolitik unterstützt werden. Auch die Finanzierungsprobleme von KMU im Umbruch werden adressiert. In vielen Bereichen kommt es auf die Umsetzung an.
Für eine umfassende Mobilitätswende ist noch nicht geklärt, ob es wirklich zu ausreichender Förderung von Schiene, klimafreundlicherem Güterverkehr und öffentlichen Mobilitätsträgern kommt. Dafür sollen die beschleunigten Verfahren schnell eingeführt und umgesetzt werden. Für den Ausbau der Erneuerbaren sind viele positive Maßnahmen im Koalitionsvertrag vereinbart, von den erhöhten Zielen über die Planungsbeschleunigung bis zur Finanzierung, der Reform des Strompreises und der Akzeptanz von Gas als Übergangstechnologie. Für den Wärmebereich ist vieles ambitioniert festgelegt.
Im Koalitionsvertrag wird eine Weiterentwicklung der Mitbestimmung angekündigt, leider aber nur wenige konkrete Vorhaben benannt. Erbeinhaltet gute arbeitsmarktpolitische Ansätze. Mit dem Qualifizierungsgeld soll ein Instrument geschaffen werden, das dem bisherigen Transformationskurzarbeitergeld nahekommt. Positiv ist auch die Weiterentwicklung des Qualifizierungs-(Transfer)kurzarbeitergeldes. Mit der Bildungs-(teil)zeit wird ein Anspruch auf Weiterbildung eingeführt und eine finanzielle Unterstützung avisiert. Das Nachholen eines Berufsabschlusses oder eine berufliche Neuorientierung sollen möglich werden.
Mit den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag stellt sich die neue Regierung der großen Herausforderung unserer Zeit, der sozial-ökologischen Transformation. Uns fehlt konkret: Was wird an zusätzlichen öffentlichen Investitionen gebraucht und wie sieht ihre Finanzierung aus? Der Wille ist erkennbar, über Absichtserklärungen hinaus zu konkretem, zielgerichtetem Handeln zu kommen.

Unsere Forderungen:

Wir wollen, dass die Arbeitnehmerschaft und ihre Gewerkschaften zu Akteuren der Veränderungen werden. Ohne reale Veränderungen hin zur Demokratisierung der Unternehmen und der gesamten Wirtschaft, ohne eine Umverteilung von Macht und Einkommen wird es keinen ökologisch-sozialen Umbau unserer Volkswirtschaft geben können. Im Kern kann die Transformation nur im Produktions- und Dienstleistungssektor, also in Betrieben, Forschungseinrichtungen und Verwaltungen umgesetzt werden, dort wo die menschliche Arbeit geleistet wird.
Die Transformation und der Klimawandel sind soziale Fragen: Neoliberale, Konservative und teilweise grüne Kräfte treffen sich an einem zentralen Punkt: die Kosten der Transformation sollen über Preise auf die Masse der Verbraucher abgewälzt und ihre beschäftigungspolitischen „Kollateralschäden“ als Nebenwiderspruch der wissenschaftlichen Wahrheit in Kauf genommen werden. Umgekehrt werden Störungen auf den entfesselten Weltmärkten, internationale Konflikte, Spekulationen und tatsächliche Knappheiten der Klimaschutzpolitik angelastet. Bisher ist noch nicht erkennbar, ob und wie Kosten und Nutzen der Transformation gerecht verteilt werden können.
Es ist die historische Aufgabe und das Alleinstellungsmerkmal der Sozialdemokratie, die soziale und humane Gestaltung des Wandels im Bündnis mit den Gewerkschaften und unter Einbeziehung der gesamten Arbeitnehmerschaft politisch zu planen, programmatisch voranzutreiben und mehrheitsfähig zu machen.

1) Energie- und Mobilitätswende meistern

Die Energiewirtschaft und der Automobilsektor sind aktuell die am stärksten von der Transformation betroffenen Industrien. Die Beschäftigten erleben die Transformation in großen Teilen als Bedrohung mit Abstieg und Einkommensverlust. Bergwerke und Kraftwerke mit sicheren Einkommen, sozialer Absicherung, Mitbestimmung und hohem gewerkschaftlichem Organisationsgrad wurden geschlossen und die alten Strukturen der Energiewirtschaft mit guten Arbeitsbedingungen zerschlagen. Auch die Unternehmen mit über hunderttausend Beschäftigten des deutschen Energieanlagen- und Kraftwerksbaus und ihrer Zulieferer, denen beim Umbau der Energie- und Wärmeversorgung eine Schlüsselrolle zufällt, sind bedroht. Investitionen in Energieanlagen und deren Service wurden zurückgestellt oder auf die lange Bank geschoben. Der Abbau von Arbeitsplätzen und die Schließung von ganzen Standorten nehmen zu. Gleichzeitig fehlen Fachkräfte und es gibt Probleme bei der Stellenbesetzung. Ursache sind oft fehlende Tarifbindung und schlechte Arbeitsbedingungen. Die Masse der „neuen“ Arbeitsplätze im Bereich von Wind- und Solarenergie erwies sich als instabil, gewerkschafts- und mitbestimmungsfeindlich. Bei öffentlicher Vergabe erhalten oft Firmen ohne Tarifbindung den Zuschlag. Tarifgebundene Anlagenhersteller und Leitungsbauer gehen leer aus. Außerdem fehlt für viele Projekte die Akzeptanz. In der Automobilindustrie nutzen viele Arbeitgeber, vor allem bei den Zulieferern, die Chancen für Tarifflucht und Betriebsverlagerungen ins Ausland oder drohen derartige Maßnahmen an. Hier geht es um hunderttausende Jobs. Der Gebäudesektor gerät trotz derzeitigem Boom ebenfalls unter Druck, weil der demografische Wandel stärker wird, Rohstoffpreise steigen und Industrie und Handwerk die Fachleute ausgehen und der Nachwuchs fehlt. Ursache sind oft fehlende Attraktivität oder zu wenig Ausbildung.
Die Strategien vieler Konzernlenker, Berater und Investoren laufen darauf hinaus, traditionelle Unternehmenszweige und Betriebsteile abzustoßen und abzuwickeln und die zukunftsträchtigen Teile „altlastenfrei“ mit maximalen Profiten auf den Märkten zu platzieren.
Eine Energie- und Mobilitätswende muss unbedingt mit beschäftigungspolitischen Zielen verbunden werden. Deshalb brauchen wir für den Weg in eine gute Zukunft:

  • Ein klares Bekenntnis zu guter Arbeit. Maßnahmenpakete und konkrete Umsetzungsschritte müssen mit sozialen und ökologischen Nachhaltigkeits-kriterien in den öffentlichen Tariftreue- und Vergaberichtlinien und Förderprogrammen auf allen Ebenen verankert werden und in die Ausgestaltung der EU-Taxonomie einfließen und dabei Perspektiven für Gute Arbeit und nachhaltige Wertschöpfung im heimischen Industrie-, Handwerks und Dienstleistungsbereich sicherstellen.
  • Wir brauchen ein industriepolitisches Gesamtkonzept mit vorausschauender Innovationsförderung für klimaneutrale Technologien und funktionierender Sektorenkopplung unter Beteiligung der Gewerkschaften.
  • Schnelle Entscheidungen, konkrete Maßnahmen und Verbindlichkeit bei der Umsetzung. Die Kopplung und Verzahnung aller Mobilitäts- Energie- und Wärmesektoren muss vorangetrieben werden.
  • Mehr Verbindlichkeit bei der Umsetzung des Klimaprogramm 2030 der Bundesregierung.
  • verstärkten Ausbau intelligenter Verteilnetze und die Förderung neuer Speichertechnologien.
  • Schaffung von Rahmenbedingungen und Planungssicherheit für die energieintensiven Industrien im internationalen Wettbewerb.
  • Förderung von Innovationen in neue Energietechnik, zum Beispiel für Hochtemperatur-wärme, Kraft-Wärme-Koppelung oder Kohlenstoffnutzung in der Industrie. Bisherige Energieregionen zu neuen Energieregionen umbauen und dabei sowohl Nachnutzungs-konzepte für abgeschaltete Kraftwerke, wie auch Pilotprojekte zu erneuerbaren Energietechnologien ermöglichen und Fernwärme ausbauen.
  • Gewährleistung von Versorgungssicherheit durch flexible Gaskraftwerke, industrielle Eigenstromerzeugung und KWK. Neubau von 17 GW Gaskraftwerken als Brückentechnologie.
    Maßnahmen einer integrierten Industrie- und Handwerkspolitik
  • Der Umbau unserer Energie- und Wärmeversorgung verlangt eine nachhaltige industriepolitische Strategie, eine Umsetzung mit klaren Rahmenbedingungen und hoher Verbindlichkeit – für die Industrie, aber auch für das Handwerk. Das schafft dauerhaft verlässliche Wettbewerbs- und Investitionsbedingungen für die Unternehmen und damit Perspektiven für die Beschäftigten in den Branchen. Energiewende und Klimaschutz müssen stärker mit Wirtschafts-, Industrie- und Handwerkspolitik zusammengedacht, geplant und umgesetzt werden.
  • Modernisierungsrate bei Gebäuden sozial verträglich gestalten und den Ausbau mit moderner Heizungstechnik (z.B. Hybrid/Wärmepumpen/KWK) beschleunigen.
  • Förderlandschaft transparent, verständlich, technologieoffen und sozial ausgewogen gestalten, langfristig verstetigen und die Zugänge erleichtern.
  • Verlässliche Rahmenbedingungen mit mehr Rechtssicherheit bei schneller Planung und Ausweisung mit verbesserten bzw. neuen Sonderregelungen für Windenergie.
  • Aufbau von Kapazitäten und Infrastruktur für grünen Wasserstoff, Import nach fairen Umwelt-, Sozial-und Arbeitsstandards. Im Übergang auch Nutzung von CO2-armen und später CO2-freien Energieträgern (Gas/Liquid) ohne Restriktionen.
  • eine flächendeckende und verlässliche Infrastruktur von Schnellladestationen genauso wie massive Investitionen in den öffentlichen Nah- und Fernverkehr und die Schiene.
  • Den Strompreis sozialverträglich bezahlbar machen. Weitergabe der Preisvorteile für erneuerbarer Energien schaffen, Abgaben und Umlagen überprüfen und reformieren, Spekulation unterbinden und Strommarkt wieder regulieren.
  • eine Industriepolitische Begleitung der Transformation durch politische Rahmensetzungen für die einzuschlagenden Technologiepfade einschließlich entsprechender breit angelegter technologieoffener Forschungsprogramme.
  • Entwicklung von Masterplänen, die die Umstellung der Wertschöpfungsketten auf die neuen Technologien und Produkte unterstützen, Dumping und Verdrängungswettbewerb ausschließen und möglichst die gesamte Wertschöpfungskette in Deutschland und Europa halten bzw. die fehlenden Teile schaffen. Neue Potentiale müssen an den Schnittstellen der Sektoren- und Branchengrenzen im Zusammenspiel verschiedener Unternehmen aus verschiedenen Branchen gehoben werden. Die damit verbundenen Umstrukturierungen sind unter Erhalt von Mitbestimmung und Tarifbindung und zusammen mit den Gewerkschaften sozialverträglich zu gestalten.
  • Ziel muss die Kreislaufwirtschaft sein, Konzepte hierzu müssen mit allen dazugehören Partnern ermittelt und umgesetzt werden.
  • Ein industriepolitisches Augenmerk müssen wir auf die Stabilisierung von Lieferketten legen. Dazu braucht es gesamteuropäische Konzepte, um Abhängigkeiten und Umwelt- und soziale Schäden zu reduzieren.
    Angesichts der gewaltigen Investitionsbedarfe ist mit einer Politik der schwarzen Null und weiterer Investitionszurückhaltung der Unternehmen die Verkehrs- und Energiewende nicht zu bewältigen. Angesichts riesiger Kapitalanlagen und günstiger Finanzierungsbedingungen (Investmentfonds halten Billionensummen bereit, die Aktienkurse liegen auf Rekordniveau, die Gewinne im letzten Jahrzehnt waren exorbitant, die Zinsen sind extrem niedrig und die Eigenkapitalausstattung ist hoch), müssen Staat und Politik vor allem einen berechenbaren Rahmen und entsprechende Investitionsanreize für die Industrie setzen, auch durch entsprechende öffentliche Nachfrage. (Öffentliche Verkehrsmittel, Beschaffung, kommunale Finanzen…) Steuergelder, die an Unternehmen gezahlt werden, müssen an verbindliche Standards, Vorgaben und Rückzahlungen gebunden werden. Ansonsten soll deren Einsatz an Beschäftigungssicherung, Qualifizierung, und soziale Absicherung beschränkt bleiben.
  • Dazu brauchen wir ein umfassendes Investitionsprogramm. Klimaneutralität erfordert enorme Investitionen zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. Ein enormer Investitionsbedarf von rund 500 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren ist insgesamt notwendig. Die öffentliche Hand trägt davon einen hohen Anteil. Wir brauchen dazu eine klare, umfassende Regulierung und Förderung bei der auch sozial-ökologische Kriterien wirken. Resiliente Wertschöpfungsketten in Deutschland und Europa müssen die Zielstellung für kommende Investitionen sein.

Im Zuge der Digitalisierung werden Arbeitsplatzeffekte in vielen Branchen durch gegenläufige Prozesse geprägt: Wachstum durch neue digitale Angebote sichert und schafft Arbeitsplätze – Effizienzgewinne durch Digitalisierung interner Prozesse gefährden Arbeitsplätze.
Noch stärker als direkte Produktionsbereiche könnten allerdings die indirekten/klassischen Büro- und Informationstätigkeiten (wie Buchhaltung, Sachbearbeitung, Engineering etc.) unter Druck geraten.
Die Digitalisierung in ihren Auswirkungen auf Leistungs- und Verhaltenskontrollen (Stichwort: „Gläserner Mitarbeiter“) braucht Vereinbarungen zum Schutz der Beschäftigten. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten beinhalten mit zunehmendem Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung und ständiger Erreichbarkeit große Risiken für die Beschäftigten, insbesondere mit der Folge der Zunahme von psychischen Erkrankungen. In allen Bereichen bedarf es erheblicher Qualifizierungsanstrengungen, weil wir die Beschäftigten auf neue Tätigkeiten vorbereiten müssen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen deshalb mit einem Transformations-KUG oder Qualifizierungsgeld weiterentwickelt werden.
Dies gilt in besonderem Maße auch mit Blick auf die demografische Entwicklung. Die Rekrutierung von neuen Fachkräften und die betriebliche Weiterbildung vorhandener Fachkräfte sind wesentliche Grundlage für die Organisation des Wissens- und Know-how-Transfers.
Die Transformations- und Diversifizierungsprozesse müssen durch entsprechende Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen begleitet werden. Eine Qualifizierungsoffensive in den Industrie- und Handwerksbranchen der Energie- und Wärmetechnologien ist dazu der richtige Weg.
Dazu brauchen wir neben erreichbaren Weiterbildungsangeboten auch ein einfaches zugängliches Weiterbildungsangebot, das aufführt, welche Rechte und Pflichten bei Weiterbildung bestehen und wo man sich über Angebote informieren kann.
Neben staatlichen Institutionen sind vor allem auch die Arbeitgeber zu fordern.

2) Außenwirtschaftliche Absicherung

Durch die fortschreitende Digitalisierung und den Druck der Investoren und Finanzmärkte gewinnt der Konkurrenzdruck an neuer Schärfe. Bisher wird dieser Druck an die Beschäftigten, auf die Steuer- und Sozialsysteme, an Umwelt und Klima weitergegeben. Staaten sollen im Zuge der Durchsetzung marktgerechter Demokratien (oder Diktaturen) zu Anbietern konkurrierender Rechtssysteme degradiert werden. Damit muss Schluss sein. Wir fordern demgegenüber einen Primat von Politik, Staat und Demokratie. Das bedeutet, dass wir Regeln, die die Arbeiterbewegung in jahrhundertelangen Auseinandersetzungen auf nationaler Ebene erkämpft hat, auch dadurch absichern müssen, dass sie nicht durch die Globalisierung unterspült werden. In Zeiten der Transformation gilt es, fortschrittliche Klima-, Umwelt-, Arbeits-, Steuer- und Sozialpolitik nicht durch deregulierten Welthandel aushebeln zu lassen.
Auf EU-Ebene hat das durch die Regulierung des Binnenmarktes zu geschehen. Ansatzpunkte sind hier gemeinsame Regeln für die Kapital- und Unternehmensbesteuerung, der co2-Zertifikatehandel, die Etablierung der sozialen Säule samt Mitbestimmung, Mindestlohn und Sozialsystemen, eine Industrie- und Dienstleistungspolitik, die diesen Namen verdient und eine neue Handelspolitik.
Wir unterstützen sämtliche Bemühungen für ein nationales oder europäisches Lieferketten-gesetz mit verbindlichem statt freiwilligem Charakter. Das gilt auch für Einfuhrbestimmungen für Rohstoffe wie bei den „Konfliktmineralien“.
Die von den USA angezettelten Handelskonflikte sowie die Debatte um CETA, TTIP und die anstehenden weiteren Abkommen beispielsweise mit dem Mercosur zeigen, wie weit wir von fairem internationalen Wettbewerb entfernt sind. Die Durchsetzung sozialer und ökologischer Standards scheitert hier immer wieder an verbindlichen, kontrollierbaren und rechtlich durchsetzbaren Regeln, egal ob es um Landwirtschaft, Abholzung, Datenschutz, Steuern, Arbeitnehmerrechte oder Kapitalmärkte geht.
Wir sprechen uns daher für ein Moratorium für alle EU-Handelsabkommen aus. Dies gilt, bis die EU Instrumente gegen Umwelt- und Sozialdumping entwickelt hat.
Im Zuge der Klimadiskussion gewinnt ein sogenannter ökologischer Grenzausgleich (co2-Zoll) bei grünen und anderen neoliberalen Wissenschaftlern und Politikern Anhänger. Diese warnen ebenso wie Industrie, Gewerkschaften und Sozialdemokraten davor, dass wir ökonomisch zu den Verlierern unserer eigenen Klimapolitik werden, wenn co2- und energieintensive Industrien ins Länder mit niedrigen co2-Preisen abwandern. Dann würde die Transformation tatsächlich in De-Industrialisierung einmünden. Ein Vorschlag sieht daher ein Grenzausgleichssystem wie bei der Mehrwertsteuer vor:
Importe werden dabei mit dem nationalen Steuersatz nachbelastet, Exporte freigestellt. Grundlage der Besteuerung wäre der co2-Gehalt des jeweiligen Importes. Wir fordern eine entsprechende Regelung für soziale Standards, also einen sozialen Grenzausgleich. Maßgröße dafür sind ökonomisch feststellbare und vergleichbare Daten, die international anerkannt sind. Dies könnte der Gini-Koeffizient, also der Maßstab für Ungleichheit, die Bruttolohnquote nebst Mindestlohnniveau oder/und die Sozialleistungsquote sein. Auch wäre denkbar, in einem Punktesystem internationale Menschen- und Arbeitsrechtsnormen einzuberechnen. Entscheidend dabei ist, dass wir nicht protektionistisch unser Wohlstandsniveau zugrunde legen, sondern relative Kennziffern der jeweiligen Volkswirtschaft, die den jeweiligen Grad an Ausbeutung im Verhältnis zum deutschen bzw. europäischen Niveau aufzeigen. Der Grenzausgleich verteuert bzw. verbilligt Einfuhren in dem Maße, wie das Gerechtigkeitsniveau vom heimischen Niveau abweicht. Damit setzen wir auch Anreize in aller Welt, den arbeitenden Menschen in allen Wirtschaftszweigen gerechte Einkommen zukommen zu lassen und vermindern den Druck auf die Arbeitsbedingungen im globalen Zusammenhang. Um weiteren Handelskonflikten vorzubeugen, muss ein solches sozial-ökologisches Grenzausgleichsystem auf europäischer Ebene, in der OECD und vor allem in der WTO vorangetrieben werden.

3) Mitbestimmung und Demokratie im Betrieb stärken

Betriebsräte und die Unternehmensmitbestimmung sind für die Entwicklung betrieblicher Innovationen und in der Ausbildung und Qualifizierung von Beschäftigten mehr als eine enorme Bereicherung. Sie schützen Beschäftigte und setzen sich für diese ein. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat deutlich gezeigt, dass Betriebs- und Personalräte und Unternehmensmitbestimmung ein echter Standortvorteil für unsere Industrie und Wirtschaft sind.
Unsere Industrie, Handwerk und Dienstleistung sind in der Gestaltung der Transformation auf das Know-how und die Mitwirkung ihrer Beschäftigten angewiesen. Ohne Beteiligung der Belegschaften wird dies nicht gelingen. Und Beteiligung im deutschen Sozialpartnermodell braucht auch eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte der Betriebs-und Personalräte.
Mitbestimmung und Tarifverträge sind aus unserer Sicht zentrale Säulen zur Bewältigung des Wandels in seiner neuen Dimension und ihrer möglichen Folgen. Diese Lehren sollten wir aus den Erfahrungen im Zusammenhang der gemeinsamen Krisenbewältigung nicht vernachlässigen.

  • Wir brauchen stärkere Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte, damit betriebliche Zukunftsvereinbarungen, die mittel- und langfristige Investitionsentscheidungen, Standortsicherung, Kündigungsschutz und verbindliche Personal- und Qualifizierungsplanung- und Entwicklung beinhalten, wenn nötig auch erzwingbar vereinbart werden können.
  • Die Mitbestimmung von Betriebsräten bei Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung, bei Betriebsänderungen (Umorganisation, Umstrukturierungen, Produktionsverlagerungen, Beschäftigungsabbau) ist zu erweitern und durch ein zwingendes Mitbestimmungsrecht beim Interessenausgleich zu stärken. Outsourcing-Maßnahmen und der Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen müssen einer stärkeren Mitbestimmung und einem Zustimmungsverweigerungsrecht unterliegen. Hinzu gehört auch ein effektiver Unterlassungsanspruch bei Nichtbeachtung jeglicher Beteiligungsrechte.
  • Gesetzlich festgelegte Förderung und Finanzierung spezifischer Qualifizierungs- und Beratungsangebote für Betriebsräte müssen geschaffen werden, um die Arbeitnehmervertretungen für komplexer werdende Anforderungen zur Gestaltung von Transformation handlungsfähiger zu machen.
  • Maßnahmen der Beschäftigungssicherung, z.B. eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, muss als Teil des Sozialplanes vom Betriebsrat durchgesetzt werden können.
  • Mit einer Möglichkeit der Kurzarbeit bei strukturellen Umbrüchen könnte diese Phase stärker und gezielter für die Qualifikation der Beschäftigten genutzt werden. Dazu bedarf es einer Erweiterung des Qualifizierungschancengesetzes mit einem kollektiven Ansatz.
  • Wir wollen die Rechte der Beschäftigten bei Betriebsübergängen sowie Unternehmens-fusionen und -aufspaltungen verbessern und Mitbestimmung auch in wirtschaftlichen Fragen schaffen.
  • Es braucht außerdem die institutionelle Förderung von Beratungsinstituten durch den Staat, um Betriebsräte und Unternehmen dauerhaft und kompetent bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen zu unterstützen.
  • Stärkere Beteiligung von Personal-/Betriebsräten und Belegschaften bei der Umsetzung von Digitalisierung und Elektromobilität in der Wirtschaft, also auch Mitbestimmung bei Investitionsentscheidungen.
  • Einrichtung von überbetrieblichen, regionalen oder branchenbezogenen Strukturräten mit Beteiligung von Arbeitgebern, Kommunen und Gewerkschaften mit realen Informations- und Entscheidungsrechten, insbesondere wenn es um Standorte, öffentliche Mittel und Investitionen geht.

Wir wollen keine Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg. Wir haben ein Interesse an demokratischer Beteiligung, an Mitbestimmung. Veränderung wird nur mit uns möglich sein, nicht gegen uns. Unsere Kolleginnen und Kollegen wollen überzeugt und einbezogen, nicht billig abgespeist werden. Deshalb brauchen wir die demokratische Transformation. Fördergelder bei Neugründungen sollen an Kriterien der guten Arbeit verpflichtend verknüpft werden.

4) Standorte und Beschäftigung sichern, Qualifizierungsgeld (Transformationskurzarbeitergeld) einführen

Um die Potenziale der Energie- und Mobilitätswende für die hiesige Wertschöpfung zu nutzen und die Transformations- und Diversifizierungsprozesse erfolgreich zu gestalten bedarf es einer aktiven Arbeitsmarkt- und regionalen Strukturpolitik, die Regionen nicht abhängt und Arbeitslosigkeit verhindert. Dazu müssen diese Prozesse mit Umstrukturierungs- und Investitionsförderungen begleitet werden. Zudem stärkt eine enge regionale Vernetzung und Zusammenarbeit von Bau, Betrieb, über Wartung, bis hin zu Rück- und Umbau und Recycling mit kurzen Lieferketten und hohen Umweltstandards den Heimatmarkt und ist nachhaltig.
Verschiedenste Konzerne spielen häufig eine entscheidende Rolle für ganze Wertschöpfungsketten und ganze Branchen und Regionen. Durch die Transformation entstandene soziale Härten für die Beschäftigten und betriebsbedingte Kündigungen müssen vermieden werden. Dies muss für die gesamte Wertschöpfungskette gelten. Im Strukturwandel geht es darum, für Beschäftigte eine Perspektive für „Gute Arbeit“ in der Region zu entwickeln.
Das heißt qualifizierte Industriearbeit, gutes Einkommen auf Basis von Tarifverträgen und Mitbestimmung. Beschäftigte brauchen Sicherheit im Wandel. Die Ausbildungsberufe und ihre Rahmenlehrpläne müssen modernisiert und den neuen Herausforderungen angepasst werden.

  • Deshalb muss ein Transformations-Kurzarbeitergeld oder ein Qualifizierungsgeld eingeführt werden, mit dem es Unternehmen ermöglicht wird, Beschäftigte im Betrieb zu halten und für neue Aufgaben zu qualifizieren.
  • Dazu gehört auch die Kostenentlastung der Betriebe, wenn sie Kurzarbeit mit Qualifizierung verbinden und eine Verlängerung der Bezugsdauer auf 24 Monate. Dazu muss das Qualifizierungschancengesetz gerade für kleine und mittlere Betriebe handhabbarer gemacht werden und ermöglichen, auch für ganze Beschäftigtengruppen Maßnahmen zu fördern, Transfergesellschaften zu gründen und länger als bisher bestehen zu lassen.
  • Ein Sozialpartnerdialog muss geschaffen und eingerichtet werden. Landesweit und in den Regionen brauchen wir für Fragen des Strukturwandels und der Transformation einen funktionierenden und nachhaltigen Austausch zwischen den Arbeitgeberverbänden, den Gewerkschaften und der Politik.
  • Wir setzen uns für die Gründung eines nationalen Transformationsbeirats beim Bundesarbeitsministerium unter Einbindung aller Akteure (Betriebsräte, Gewerkschaften, Unternehmen, Arbeitgeberverbände, Bundesagentur für Arbeit) und ebenso auf Länderebene ein. Den jetzt vom Bundesarbeitsminister eingesetzten „Rat der Arbeitswelt“ sehen wir als richtigen und wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Auch unterhalb der nationalen Ebene sind verlässliche Strukturen erforderlich – etwa in Form von Regional-räten oder Transformationsbündnissen.
    Den Beiräten obliegt es, auf Basis von regionalen Entwicklungskonzepten eine Priorisierung der Aktivitäten vorzunehmen und die Sicherung industrieller Strukturen und Beschäftigung voranzutreiben.
  • Mit Blick auf den Wandel müssen die Branchendialoge, bei denen Regierung, Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen an einen Tisch kommen, zu festen Arbeitsstrukturen im Rahmen der Mitbestimmung (siehe oben) weiterentwickelt werden. Ohne das Know-how und die Mitwirkung der Betriebsräte und Beschäftigten wird die Transformation nicht gelingen. Betriebsratsgremien, insbesondere in kleinen und mittleren Betrieben mit in der Regel nicht freigestellten Betriebsräten fehlen daher die zeitlichen und fachlichen Ressourcen. Um möglicherweise erforderliche Maßnahmen im Betrieb auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern verhandeln zu können, ist von der Bundesregierung ein Beratungs- und Qualifizierungsfonds für Betriebsräte einzurichten.
  • Regionale Entwicklungsprozesse in den besonders vom Wandel betroffenen Regionen sollen unter Führung eines regionalen Transformationsbeirats als Projekt, zeitlich befristet, und möglichst in Anbindung an die Wirtschaftsförderungseinrichtungen, installiert werden, das dazu beiträgt:
    • integrierte regionale Entwicklungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen,
    • regionale Entwicklungsprojekte zu identifizieren und zu befördern,
    • regionale Netzwerke, Bündnisse, Verbundprojekte, Innovationscluster u.ä. aufzubauen,
    • verborgene regionale Beschäftigungs- und Wachstumspotentiale zu mobilisieren.
  • Wir brauchen dazu eine aktive Umsetzung von regionalen Transformationsclusters und Branchen. Die Regionen sollen sich mit allen Akteuren (Gewerkschaften, Arbeitgeber, Betriebsräte, Kommunalpolitiker, Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen, etc.) an den Tisch setzen um zu entwickeln, was die Regionen brauchen, um auch für die Zukunft gut aufgestellt zu sein: Infrastruktur, Weiterbildung, Kooperationen, etc. Diese Planungen müssen Bund, Länder und Kommunen aktiv begleiten.
  • Regionale Strukturprogramme sollen ein nachhaltiges, qualitatives und umweltverträgliches Wachstum durch die Verbesserung von Innovationsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Ressourceneffizienz insbesondere der von der Transformation betroffenen Unternehmen (entlang der Wertschöpfungskette) erreichen und dabei einen besonderen Schwerpunkt auf den Klimaschutz und die Energiewende, setzen. Ferner bedarf es öffentlicher Beteiligungsfonds zur Sicherung und Transformation von Unternehmen, mit denen z. B. KMUs unterstützt werden können, sobald ein notwendiger oder erzwungener Wechsel des Geschäftsmodells die Investitionskraft übersteigt.

Auf Grundlage einer regionalen Innovationsstrategie sollen auch innovative Vorhaben und eine zielgerichtete, anwendungsorientierte Forschungsinfrastruktur gefördert und der Wissens- und Technologietransfer verbessert werden. Mit entsprechenden regionalen Investitions- und Strukturfonds kann alternative qualifizierte Industriearbeit und damit Perspektiven für „Gute Arbeit“ in den Regionen entwickelt werden.

Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
Der Antrag wurde am 31.08.2022 nach Beschluss durch den Landesparteirat am 30.08.2023 weitergeleitet.