Der Landesparteitag möge beschließen:
Die SPD Rheinland-Pfalz verpflichtet sich, dafür einzutreten, dass in die Verfassung für Rheinland-Pfalz eine Vorschrift aufgenommen wird, welche die Inkompatibilität von Abgeordnetenmandat und Ministeramt vorsieht.
Nach dem klassischen Gewaltenteilungsmodell von John Locke und Charles de Montesquieu sind die Funktionen von Legislative, Exekutive und Judikative streng voneinander zu trennen. Im Grundgesetz wurde dieses strenge Gewaltenteilungsmodell indes nicht voll umgesetzt; vielmehr installiert das Grundgesetz ein Gewaltenteilungssystem sui generis, das grundsätzlich auch Gewaltenverschränkungen – insbesondere zwischen Legislative und Exekutive – zulässt.
Als demokratietheoretisch problematisch erweisen sich dabei jedoch die personellen Verschränkungen zwischen Exekutive und Legislative, die sich in der Doppelrolle vieler Minister, die als Abgeordnete zugleich Teil der Legislative sind, manifestieren. Zwar wird das sog. neue dualistische System, das ganz wesentlich auf der Zusammenarbeit von Regierung und regierungstragenden Fraktionen beruht, nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Gleichwohl liegt es auf der Hand, dass eine wirksame Kontrolle der Exekutive durch die Legislative dann nicht stattfinden kann, wenn es zu einer Personalidentität von Kontrollierten und Kontrollierenden kommt.
Aus diesem Grund sehen etwa die französische Verfassung oder die Verfassungen
der Freien Hansestadt Bremen und der Freien und Hansestadt Hamburg entsprechende Inkompatibilitätsvorschriften vor, an deren Normtext sich eine Regelung in der Verfassung für Rheinland-Pfalz orientieren könnte. Auch die SPD Berlin hat auf einem Parteitag jüngst beschlossen, eine entsprechende Verfassungsänderung voranzutreiben.
Auf Landesebene stellt sich das demokratietheoretische Problem der Doppelrolle in Exekutive und Legislative im Übrigen mit besonderer Dringlichkeit, da die Landtage allesamt kleiner als der Bundestag sind und die Verschränkungen zwischen Legislative und Exekutive somit typischerweise stärker zu Buche schlagen als auf Bundesebene.
Des Weiteren liegt es in der Natur der Sache, dass ein Minister aufgrund der verantwortungsvollen und umfangreichen Aufgaben, die mit dem Ministeramt verbunden sind, seine Rolle als Abgeordneter nicht mehr in gleicher Weise wahrnehmen kann wie es von Verfassungswegen angedacht ist. Eine Trennung von Abgeordnetenmandat und Ministeramt kann somit aus Sicht der Mainzer SPD auch dazu beitragen, der allgemeinen Politikverdrossenheit in der Bevölkerung durch eine stärkere Präsenz der die Regierung tragenden Abgeordneten in der Breite entgegenzuwirken.
Die SPD begreift sich – zu Recht – als moderne und innovative Partei, die sich nicht scheut, neue politische Wege einzuschlagen. Mit dem hier vorgelegten Antrag kann die SPD Rheinland-Pfalz diese Rolle weiter einnehmen und sich als Vorreiter einer neuen Demokratietheorie beweisen.