2018/A/03 Zeit- und Leiharbeit neu denken und (ver-)handeln

Status:
geändert angenommen

Der Landesparteitag möge beschließen:

Auch wenn sie umstritten ist: Zeit- und Leiharbeit stellt mit fast 1,1 Mio. Beschäftigen eine feste Größe auf dem deutschen Arbeitsmarkt dar. Sie bietet neben der Flexibilität für Unternehmen vor allem ArbeitnehmerInnen eine Chance, die aufgrund ihrer aktuellen Situation auf dem primären Arbeitsmarkt keine Chance hätten.
Zu lange haben wir es als Partei versäumt, auf die drängenden Bedürfnisse der dort Beschäftigten wirklich einzugehen. Stattdessen wird sich seit der unkontrollierten Deregulierung von Zeit- und Leiharbeit unter Schröder dahinter verschanzt, dass es sich dabei um ein Thema handelt, welches es als Sozialdemokraten am besten gänzlich zu meiden gilt. Die einzig sichtbare thematische Positionierung besteht darin, dass man diese Form der sogenannten “atypischen Beschäftigung” aus ideologischen Gründen am liebsten als gänzlich verboten sehen würde. So nachvollziehbar dieser Standpunkt ist – er vergisst jedoch die vielen hunderttausend Einzelschicksale, die oftmals auch ganz massiv Familien und damit Millionen von Kindern in Deutschland betreffen. Die deutsche Sozialdemokratie kann, auch in ihrer aktuell angeschlagenen Verfassung, diesen Menschen unter die Arme greifen. Auch deshalb, weil wir uns als Partei für einen weiteren Weg in Regierungsverantwortung entschieden haben. Lasst uns mit dem nun folgenden Sofortmaßnahmenplan unserer (historisch gewachsenen) Pflicht nachkommen, schwach (gewerkschaftlich) organisierten, abhängig Beschäftigten ein würdevolles, sicheres Arbeitsleben zu ermöglichen.

I. Betriebliche Partizipation ermöglichen: Passives Betriebsratswahlrecht für Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung

Auch Zeit- und LeiharbeiterInnen haben das Recht auf Beteiligung an betrieblicher Interessenvertretung: Nach der Einführung des aktiven Wahlrechtes für Beschäftige die mehr als drei Monate im selben Entleihbetrieb beschäftigt sind, wollen wir nun eine vollständige Partizipationsoption, in Form eines passiven Wahlrechts (also der Wählbarkeit) für Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung schaffen. Wir lehnen diese bisherige Ungleichbehandlung beim Betriebsratswahlrecht zwischen Beschäftigten in der Arbeitnehmerüberlassung und Stammpersonal entschieden ab.
In den meisten Verleihbetrieben wird nur in den seltensten Fällen selbst ein Betriebsrat gewählt. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die Beschäftigten sich untereinander aufgrund der verschiedenen Einsatzorte nicht kennen und es daher keine richtigen Betriebsstrukturen im klassischen Sinne gibt. Deshalb ist es wichtig, dass Beschäftigten in Zeit-/ und Leiharbeit sowohl das aktive, als auch das passive Betriebswahlrecht im Entleihbetrieb zuerkannt wird. Nur so lässt sich eine, mit dem Stammpersonal vergleichbare, Möglichkeit der betrieblichen Partizipation für Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung schaffen.

Vor diesem Hintergrund fordern wir:

  • die Streichung von § 14 Abs. 2 AÜG: „Leiharbeitnehmer sind […] bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb nicht wählbar.“
  • Einen mit dem des Stammpersonals vergleichbaren Kündigungsschutz für sich engagierende LeiharbeitnehmerInnen
  • In Entleiherbetrieben muss ab fünf Leiharbeitenden, mindestens ein*e ständigeÜr Vetreter*in für Leiharbeitende im betriebsrat vertreten sein

II. Von europäischen Partnern lernen: Kopplung der Löhne von Zeit-/ und LeiharbeiterInnen an Tarifabschlüsse zwischen Gewerkschaften des Stammpersonals und ArbeitgeberInnen nach Vorbild der Niederlande.

Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung dürfen durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) derzeit in Deutschland abweichend von der Stammbelegschaft behandelt und vergütet werden, sofern ein entsprechendes Tarifwerk für die Zeit-/ und LeiharbeiterInnen vorliegt.
Das Vertragswerk zwischen DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) und IGZ (Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen), auf dessen Grundlage bundesweit die meisten Arbeitsverträge von Zeit-/ und LeiharbeiterInnen basieren, ist maßgeblich für die derzeitig schwierige Situation der meisten verliehenen ArbeitnehmerInnen verantwortlich. Dieser Umstand, historisch begründet in der schwierigen Verhandlungsposition des DGB bei Vertragsabschluss, erfordert eine grundlegende Neuordnung von staatlichen Vergütungsvorschriften im AÜG.
Das viel gelobte französische System der Arbeitnehmerüberlassung, bei dem die Beschäftigten den ausgehandelten Tariflohn mit einem Zuschlag von 10% erhalten, ist für uns als JungsozialistInnen kein Vorbild: in der Praxis zeigt sich, dass die Einkommen der französischen Zeit-/ und LeiharbeiterInnen zwar signifikant höher sind als die ihrer europäischen KollegInnen, jedoch herrscht durch einen (als Kompensation für die höheren Lohnstückkosten) fehlenden Kündigungsschutz eine manifestierte Kultur des „Hire & Fire“ im Bereich der Personaldienstleistungen, welche wir als untragbar erachten.
Viel mehr streben wir ein System nach niederländischem Vorbild an: Der sogenannte „Flexicurity“-Ansatz der Niederlande (und in modifizierter Form auch Dänemarks) soll eine hohe Flexibilität durch ein hohes Maß an Sicherheit ausgleichen. Aus diesem Modell folgt die Ausgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Sektor: ähnlich wie im deutschen System gilt für die Beschäftigten in Zeit-/ und Leiharbeit generell Gleichbehandlung mit dem Stammpersonal. Ebenfalls darf in den Niederlanden durch gesonderte Tarifverträge hiervon abgewichen werden. Der zentrale Unterschied jedoch besteht darin, dass in den Niederlanden u.a. die Entlohnung über 26 Wochen Entleihdauer wieder an die des Stammpersonals angepasst werden muss. Dies geschieht über einen fest definierten Konvergenzprozess.
Durch diesen Mechanismus profitieren die Beschäftigten in Zeit-/ und Leiharbeit indirekt von den Tarifabschlüssen der Gewerkschaften der jeweiligen Branchen, auch ohne selbst in Tarifverhandlungen treten zu müssen. Für die Beschäftigten in Zeit-/ und Leiharbeit ist bzw. wäre dies ohnehin praktisch ausgeschlossen, da der gewerkschaftliche Organisationsgrad bei den dortigen Beschäftigten sehr gering ist und deshalb die für den Arbeitskampf klassischer Weise notwendige Instrumente, wie beispielsweise die Streikfähigkeit hier nicht existieren.
Da von Seiten der Gewerkschaften schon seit über einem Jahrzehnt keine nennenswerten Maßnahmen ergriffen werden um die besagten Probleme zu beheben, ist es nun staatliche Aufgabe die Rahmenbedingungen des AÜG zu Gunsten der Zeit-/ und LeiharbeiterInnen zu verändern.

Vor diesem Hintergrund fordern wir:

  • Die Kopplung der Löhne von Zeit-/ und LeiharbeiterInnen an Tarifabschlüsse zwischen Gewerkschaften des Stammpersonals und ArbeitgeberInnen nach Vorbild der Niederlande; Umgestaltung § 8 AÜG.

III. Arbeit 4.0? Fix the Basics! Schaffung von Rechtssicherheit bei der Zusammenarbeit von Stammbelegschaft, ArbeitnehmerInnen in der Arbeitnehmerüberlassung und Kontraktoren.

Unsere Arbeitswelt befindet sich in einem, seit dem Beginn der Industrialisierung nie dagewesenen, rasant fortschreitenden Wandel. Die allgegenwärtige Digitalisierung schafft zunehmend neue Formen der Zusammenarbeit in flexiblen Teams. Diese neuen Anforderungen bedürfen einer klaren Rechtsgrundlage die Sicherheit für die Zusammenarbeit zwischen Stammbelegschaft, ArbeitnehmerInnen in der Arbeitnehmerüberlassung und Kontraktoren gewährleistet.

Vor diesem Hintergrund fordern wir:

Externe Mitarbeiter*innen müssen hierbei dieselben Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit ihren Kolleg*innen zuerkannt werden wie den Leiharbeiter*innen.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Version der Antragskommission
Version der Antragskommission:

Die SPD hat die Leih- und Zeitarbeit in der letzten Legislaturperiode im Bund wieder ein Stück näher in Richtungen ihrer Kernfunktion, Auftragsspitzen abzudecken, reguliert. Wenn LeiharbeitnehmerInnen länger als 18 Monate in einem Entleihbetrieb arbeiten, müssen sie dort eingestellt werden. Bereits nach neun Monaten erhalten sie Anspruch auf den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft. Abweichungen von diesen Fristen sind nur durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen möglich.
Unternehmen müssen gegenüber den Betriebsräten offenlegen, wer in welchem Rechtsverhältnis und mit welcher Vergütung tätig ist. LeiharbeitnehmerInnen dürfen nicht mehr als Streikbrechende eingesetzt werden.
Das ist ein Erfolg, wir wollen aber die Bedingungen für LeiharbeitnehmerInnen weiter deutlich verbessern.

 

I. Betriebliche Partizipation ermöglichen: Passives Betriebsratswahlrecht für Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung prüfen

Auch Zeit- und LeiharbeiterInnen haben das Recht auf Beteiligung an betrieblicher Interessenvertretung: Nach der Einführung des aktiven Wahlrechtes für Beschäftige, die mehr als drei Monate im selben Entleihbetrieb beschäftigt sind, wollen wir nun eine vollständige Partizipationsoption, in Form eines passiven Wahlrechts (also der Wählbarkeit) für Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung schaffen. Wir lehnen diese bisherige Ungleichbehandlung beim Betriebsratswahlrecht zwischen Beschäftigten in der Arbeitnehmerüberlassung und Stammpersonal entschieden ab.
In den meisten Verleihbetrieben wird nur in den seltensten Fällen selbst ein Betriebsrat gewählt. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die Beschäftigten sich untereinander aufgrund der verschiedenen Einsatzorte nicht kennen und es daher keine richtigen Betriebsstrukturen im klassischen Sinne gibt. Deshalb ist es wichtig, dass Beschäftigten in Zeit- und Leiharbeit sowohl das aktive, als auch das passive Betriebswahlrecht im Entleihbetrieb zuerkannt wird. Nur so lässt sich eine, mit dem Stammpersonal vergleichbare, Möglichkeit der betrieblichen Partizipation für Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung schaffen.
Vor diesem Hintergrund wollen wir folgende Punkte prüfen:

  • die Streichung von § 14 Abs. 2 AÜG: „Leiharbeitnehmer sind […] bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb nicht wählbar.“
  • Einen mit dem des Stammpersonals vergleichbaren Kündigungsschutz für sich engagierende LeiharbeitnehmerInnen
  • In Entleiherbetrieben muss ab fünf Leiharbeitenden, mindestens eine ständige Vetreterin oder ein ständiger Vertreter für Leiharbeitende im Betriebsrat vertreten sein

 

II. Von europäischen Partnern lernen: Kopplung der Löhne von Zeit- und LeiharbeiterInnen an Tarifabschlüsse zwischen Gewerkschaften des Stammpersonals und ArbeitgeberInnen nach Vorbild der Niederlande?

  • Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung dürfen durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) derzeit in Deutschland abweichend von der Stammbelegschaft behandelt und vergütet werden, sofern ein entsprechendes Tarifwerk für die Zeit- und LeiharbeiterInnen vorliegt.
    Das Vertragswerk zwischen DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) und IGZ (Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen), auf dessen Grundlage bundesweit die meisten Arbeitsverträge von Zeit- und LeiharbeiterInnen basieren, ist maßgeblich für die derzeitig schwierige Situation der meisten verliehenen ArbeitnehmerInnen verantwortlich. Dieser Umstand, historisch begründet in der schwierigen Verhandlungsposition des DGB bei Vertragsabschluss, erfordert eine grundlegende Neuordnung von staatlichen Vergütungsvorschriften im AÜG.
    Das französische System der Arbeitnehmerüberlassung, bei dem die Beschäftigten den ausgehandelten Tariflohn mit einem Zuschlag von 10% erhalten, ist für uns kein Vorbild: in der Praxis zeigt sich, dass die Einkommen der französischen Zeit- und LeiharbeiterInnen zwar signifikant höher sind als die ihrer europäischen KollegInnen, jedoch herrscht durch einen (als Kompensation für die höheren Lohnstückkosten) fehlenden Kündigungsschutz eine manifestierte Kultur des „Hire & Fire“ im Bereich der Personaldienstleistungen.
    Viel mehr wollen wir prüfen, inwiefern das niederländische System als Vorbild dienen kann. Der sogenannte „Flexicurity“-Ansatz der Niederlande (und in modifizierter Form auch Dänemarks) soll eine hohe Flexibilität durch ein hohes Maß an Sicherheit ausgleichen. Aus diesem Modell folgt die Ausgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Sektor: ähnlich wie im deutschen System gilt für die Beschäftigten in Zeit- und Leiharbeit generell Gleichbehandlung mit dem Stammpersonal. Ebenfalls darf in den Niederlanden durch gesonderte Tarifverträge hiervon abgewichen werden. Der zentrale Unterschied jedoch besteht darin, dass in den Niederlanden u.a. die Entlohnung über 26 Wochen Entleihdauer wieder an die des Stammpersonals angepasst werden muss. Dies geschieht über einen fest definierten Konvergenzprozess.
    Durch diesen Mechanismus profitieren die Beschäftigten in Zeit- und Leiharbeit indirekt von den Tarifabschlüssen der Gewerkschaften der jeweiligen Branchen, auch ohne selbst in Tarifverhandlungen treten zu müssen. Für die Beschäftigten in Zeit- und Leiharbeit ist bzw. wäre dies ohnehin praktisch ausgeschlossen, da der gewerkschaftliche Organisationsgrad bei den dortigen Beschäftigten sehr gering ist und deshalb die für den Arbeitskampf klassischer Weise notwendige Instrumente, wie beispielsweise die Streikfähigkeit hier nicht existieren.

 

III. Arbeit 4.0? Fix the Basics! Schaffung von Rechtssicherheit bei der Zusammenarbeit von Stammbelegschaft, ArbeitnehmerInnen in der Arbeitnehmerüberlassung und Kontraktoren.

Unsere Arbeitswelt befindet sich in einem, seit dem Beginn der Industrialisierung nie dagewesenen, rasant fortschreitenden Wandel. Die allgegenwärtige Digitalisierung schafft zunehmend neue Formen der Zusammenarbeit in flexiblen Teams. Diese neuen Anforderungen bedürfen einer klaren Rechtsgrundlage die Sicherheit für die Zusammenarbeit zwischen Stammbelegschaft, ArbeitnehmerInnen in der Arbeitnehmerüberlassung und Kontraktoren gewährleistet.

Vor diesem Hintergrund fordern wir:
Externe MitarbeiterInnen müssen hierbei dieselben Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit ihren KollegInnen zuerkannt werden wie den LeiharbeiterInnen.

 

Votum der Antragskommission:
Annahme in der Fassung und Überweisung an Landtagsfraktion und Bundestagsfraktion.

Beschluss: Annahme in geänderter Fassung. Mehrheitsbeschluss gegen das Votum der Antragskommission.
Text des Beschlusses:

Die SPD hat die Leih- und Zeitarbeit in der letzten Legislaturperiode im Bund wieder ein Stück näher in Richtungen ihrer Kernfunktion, Auftragsspitzen abzudecken, reguliert. Wenn LeiharbeitnehmerInnen länger als 18 Monate in einem Entleihbetrieb arbeiten, müssen sie dort eingestellt werden. Bereits nach neun Monaten erhalten sie Anspruch auf den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft. Abweichungen von diesen Fristen sind nur durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen möglich.
Unternehmen müssen gegenüber den Betriebsräten offenlegen, wer in welchem Rechtsverhältnis und mit welcher Vergütung tätig ist. LeiharbeitnehmerInnen dürfen nicht mehr als Streikbrechende eingesetzt werden.
Das ist ein Erfolg, wir wollen aber die Bedingungen für LeiharbeitnehmerInnen weiter deutlich verbessern.

I. Betriebliche Partizipation ermöglichen: Passives Betriebsratswahlrecht für Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung

Auch Zeit- und LeiharbeiterInnen haben das Recht auf Beteiligung an betrieblicher Interessenvertretung: Nach der Einführung des aktiven Wahlrechtes für Beschäftige, die mehr als drei Monate im selben Entleihbetrieb beschäftigt sind, wollen wir nun eine vollständige Partizipationsoption, in Form eines passiven Wahlrechts (also der Wählbarkeit) für Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung schaffen. Wir lehnen diese bisherige Ungleichbehandlung beim Betriebsratswahlrecht zwischen Beschäftigten in der Arbeitnehmerüberlassung und Stammpersonal entschieden ab.
In den meisten Verleihbetrieben wird nur in den seltensten Fällen selbst ein Betriebsrat gewählt. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die Beschäftigten sich untereinander aufgrund der verschiedenen Einsatzorte nicht kennen und es daher keine richtigen Betriebsstrukturen im klassischen Sinne gibt. Deshalb ist es wichtig, dass Beschäftigten in Zeit- und Leiharbeit sowohl das aktive, als auch das passive Betriebswahlrecht im Entleihbetrieb zuerkannt wird. Nur so lässt sich eine, mit dem Stammpersonal vergleichbare, Möglichkeit der betrieblichen Partizipation für Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung schaffen.
Vor diesem Hintergrund wollen wir folgende Punkte:

  • die Streichung von § 14 Abs. 2 AÜG: „Leiharbeitnehmer sind […] bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb nicht wählbar.“
  • Einen mit dem des Stammpersonals vergleichbaren Kündigungsschutz für sich engagierende LeiharbeitnehmerInnen
  • In Entleiherbetrieben muss ab fünf Leiharbeitenden, mindestens eine ständige Vetreterin oder ein ständiger Vertreter für Leiharbeitende im Betriebsrat vertreten sein

II. Von europäischen Partnern lernen: Kopplung der Löhne von Zeit- und LeiharbeiterInnen an Tarifabschlüsse zwischen Gewerkschaften des Stammpersonals und ArbeitgeberInnen nach Vorbild der Niederlande?

  • Beschäftigte in der Arbeitnehmerüberlassung dürfen durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) derzeit in Deutschland abweichend von der Stammbelegschaft behandelt und vergütet werden, sofern ein entsprechendes Tarifwerk für die Zeit- und LeiharbeiterInnen vorliegt.
    Das Vertragswerk zwischen DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) und IGZ (Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen), auf dessen Grundlage bundesweit die meisten Arbeitsverträge von Zeit- und LeiharbeiterInnen basieren, ist maßgeblich für die derzeitig schwierige Situation der meisten verliehenen ArbeitnehmerInnen verantwortlich. Dieser Umstand, historisch begründet in der schwierigen Verhandlungsposition des DGB bei Vertragsabschluss, erfordert eine grundlegende Neuordnung von staatlichen Vergütungsvorschriften im AÜG.
    Das französische System der Arbeitnehmerüberlassung, bei dem die Beschäftigten den ausgehandelten Tariflohn mit einem Zuschlag von 10% erhalten, ist für uns kein Vorbild: in der Praxis zeigt sich, dass die Einkommen der französischen Zeit- und LeiharbeiterInnen zwar signifikant höher sind als die ihrer europäischen KollegInnen, jedoch herrscht durch einen (als Kompensation für die höheren Lohnstückkosten) fehlenden Kündigungsschutz eine manifestierte Kultur des „Hire & Fire“ im Bereich der Personaldienstleistungen.
    Viel mehr wollen wir prüfen, inwiefern das niederländische System als Vorbild dienen kann. Der sogenannte „Flexicurity“-Ansatz der Niederlande (und in modifizierter Form auch Dänemarks) soll eine hohe Flexibilität durch ein hohes Maß an Sicherheit ausgleichen. Aus diesem Modell folgt die Ausgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Sektor: ähnlich wie im deutschen System gilt für die Beschäftigten in Zeit- und Leiharbeit generell Gleichbehandlung mit dem Stammpersonal. Ebenfalls darf in den Niederlanden durch gesonderte Tarifverträge hiervon abgewichen werden. Der zentrale Unterschied jedoch besteht darin, dass in den Niederlanden u.a. die Entlohnung über 26 Wochen Entleihdauer wieder an die des Stammpersonals angepasst werden muss. Dies geschieht über einen fest definierten Konvergenzprozess.
    Durch diesen Mechanismus profitieren die Beschäftigten in Zeit- und Leiharbeit indirekt von den Tarifabschlüssen der Gewerkschaften der jeweiligen Branchen, auch ohne selbst in Tarifverhandlungen treten zu müssen. Für die Beschäftigten in Zeit- und Leiharbeit ist bzw. wäre dies ohnehin praktisch ausgeschlossen, da der gewerkschaftliche Organisationsgrad bei den dortigen Beschäftigten sehr gering ist und deshalb die für den Arbeitskampf klassischer Weise notwendige Instrumente, wie beispielsweise die Streikfähigkeit hier nicht existieren.

III. Arbeit 4.0? Fix the Basics! Schaffung von Rechtssicherheit bei der Zusammenarbeit von Stammbelegschaft, ArbeitnehmerInnen in der Arbeitnehmerüberlassung und Kontraktoren.

Unsere Arbeitswelt befindet sich in einem, seit dem Beginn der Industrialisierung nie dagewesenen, rasant fortschreitenden Wandel. Die allgegenwärtige Digitalisierung schafft zunehmend neue Formen der Zusammenarbeit in flexiblen Teams. Diese neuen Anforderungen bedürfen einer klaren Rechtsgrundlage die Sicherheit für die Zusammenarbeit zwischen Stammbelegschaft, ArbeitnehmerInnen in der Arbeitnehmerüberlassung und Kontraktoren gewährleistet.

Vor diesem Hintergrund fordern wir:
Externe MitarbeiterInnen müssen hierbei dieselben Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit ihren KollegInnen zuerkannt werden wie den LeiharbeiterInnen.

Überweisung an die Landtagsfraktion/Bundestagsfraktion.

Der Antrag wurde am 03. Dezember 2018 an die Landtagsfraktion/Bundestagsfraktion weitergeleitet.

Beschluss-PDF: